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PropTechs: «Mehr System- statt nur Insellösungen»

DOMBLICK-Beitrag PropTechs Mehr System- statt nur Insellösungen VÖD 20210416 (c) Depositphotos

Die Immobilienwirtschaft und ihre PropTechs setzen zusehends auf digitale Lösungen, insbesondere in den Bereichen Verwaltung und Vermietung. Dabei im Trend: von mehreren Unternehmen entwickelte Servicesysteme statt Insellösungen.

«Die Bau- und Immobilienwirtschaft befindet sich noch am Anfang eines langen Digitalisierungsprozesses, der wohl eine ganze Generation in Anspruch nehmen wird.» Lars Sommerer, seit Jahresbeginn 2021 neuer Leiter und Managing Director von SwissPropTech, ist mit seiner Einschätzung nicht allein. Digitalisierung passiert nicht per Knopfdruck von heute auf morgen, so sehen es viele Akteure der Immobilienbranche.

Dennoch sieht Sommerer auch in der Eidgenossenschaft grosses Potenzial für PropTechs: Die Schweiz habe eine unglaubliche Innovationskraft und sei gut aufgestellt. «Man muss sich vor Augen halten: Ein Land mit gerade einmal 8,6 Millionen Menschen bringt es auf mehr als 250 Start-ups in diesem Bereich.» Und auch dieses Jahr werden sicherlich wieder einige neue dazukommen, ist Sommerer überzeugt.

Digitales Bonitätszertifikat

Im vergangenen Jahr lancierten etwa die international tätigen Wirtschaftsauskunftsfirmen Intrum (Stockholm) und Crif (Bologna) zusammen mit der Zürcher Unternehmung Certifaction AG, einem Spezialisten für Blockchain-Technologie, das digitale und fälschungssichere Bonitätszertifikat Credittrust. Dieses basiert auf Datenanalysen zum Zahlungsverhalten und zu Inkassofällen. In der Zwischenzeit arbeiten über 60 Immobilienverwaltungen (Stand Mitte April 2021) mit diesem PropTech-Tool und minimieren so das Ausfallrisiko bei Mietzinszahlungen.

Einer der Nutzer ist die DBS Group unter anderem mit ihren Firmen und Marken Gribi, Domicim, Batiline oder Immosure. Statt der herkömmlichen Einreichung von Unterlagen bei der Vermietung von Wohnraum inklusive aktuellem Betreibungsregisterauszug in Papierform setzen sie auf die deutlich weniger aufwändige digitale Alternative.

Ein ähnliches Modell verfolgt seit Kurzem auch das St. Galler PropTech eMonitor, das sich bereits seit seiner Gründung im Jahr 2015 der Digitalisierung von Vermietungsprozessen verschrieben hat. Gründer Daniel Baur entwickelt es auf Grundlage der eigenen Vermietungssoftware Melon zum digitalen Ökosystem. Neu im digitalen Bewerbungsprozess von eMonitor ist – neben Credittrust – die nun neu integrierte Lösung CredRep von Tilbago aus Luzern. Diese bietet Mietinteressenten ebenso die Möglichkeit, den Betreibungsregisterauszug direkt im Bewerbungsprozess online zu bestellen.

Doch nicht nur die Bestellung erfolgt elektronisch, auch das Ergebnis kommt rein digital. So erhalten nun nicht nur die Mietinteressenten, sondern direkt auch der zuständige Bewirtschafter den Betreibungsregisterauszug – ohne Umweg über eines der mehr als 400 Schweizer Betreibungsämter und zudem in digitaler Form. Dieser neue Betreibungsregisterauszug via CredRep ist durch eine (ebenfalls digitale) Signatur fälschungssicher und kann mehrfach verwendet werden.

Neue Vermietungsprozesse

Auch beim Immobilienbewirtschafter Wincasa, einem Unternehmen der SPS Swiss Prime Site Group, werden Digitalisierungsprozesse bei der Vermietung grossgeschrieben. So ist seit Kurzem der Vermietungsprozess für Aussenparkplätze bei den von Wincasa betreuten Liegenschaften erstmals bei einem Projekt durchgängig digital und vollautomatisiert. Die Vermietung von Pkw-Stellplätzen wird dadurch mobil, effizient und rund um die Uhr möglich.

Das Wincasa-Innovationsteam entwickelte hierfür die datenbasierte Mieterselektion sowie die digitale Mietvertragserstellung. Dadurch kann das Unternehmen bei diesen Kernelementen künftig auf wiederkehrende administrative wie auch manuelle Tätigkeiten verzichten. Das Pilotprojekt läuft derzeit mit der SPA Swiss Prime Anlagestiftung und umfasst zunächst über 1.500 flexibel anmietbare Aussenparkplätze.

Für Wincasa-CEO Oliver Hofmann ist dies jedoch erst der Anfang: «Mit diesem Schritt wurde die rechtliche, prozessuale und technologische Basis gelegt. Auf dieser Basis wird Wincasa aufbauen und strebt die Automatisierung des Vermietungsprozesses von weiteren Objektarten im Jahr 2021 an.»

Optimierte Prozesse für Reinigung und Hygiene

Auch das Schweizer PropTech Soobr setzt auf Effizienzgewinne und Kostensenkungen, allerdings nicht im Vermietungs- oder Verwaltungsbereich, sondern im Gebäudebetrieb. Das junge Start-up mit Sitz in Stettlen BE (Gründung: 2019) und befasst sich mit den Prozessen rund um die Reinigung eines Gebäudes. «Die IT-gestützte Soobr-Lösung erfasst zunächst die erforderlichen Leistungs- und Gebäudedaten.

Daraufhin können optimierte Prozesse umgesetzt werden, wobei ständig Daten von Sensoren sowie Rückmeldungen im Gebäudebetrieb einfliessen», erklärt Gründer und CEO Kaspar Adank. So sei gesichert, dass die Reinigungstouren zur optimalen Zeit, am richtigen Ort und in den passenden Intervallen erfolgen, was wiederum die Effizienz steigere und Kosten senke. Gebäudeeigentümer nutzten zur Übersicht der Reinigungsleistungen ein einfaches und intuitiv handhabbares Dashboard, während das Reinigungsteam vor Ort mittels Smartphone- bzw. Tablet-Applikation geleitet werde.

Die Soobr-FM-Lösung ist aktuell beispielsweise am neuen Vebego-Hauptsitz in der Büroliegenschaft YOND in Zürich-Altstetten im Einsatz. Sie schafft dort zusammen mit anderen technischen Lösungen im SPS-Neubau Synergien. «Bis 2025 steuert unsere Software die Reinigung von 15 Millionen Quadratmetern in 700 Gebäuden», so Adanks ehrgeiziges Ziel.

Systemisches Denken

Für Lars Sommerer, den neuen Kopf an der Spitze des Schweizer Innovationsnetzwerks, ist klar, wohin die Reise bei den PropTechs und neuen Technologien im Immobilienmarkt geht: «Digitale Insellösungen schaffen nicht das nächste milliardenschwere Unicorn. Es zeigt sich jetzt verstärkt, dass die Zusammenarbeit der PropTechs untereinander und Plattformen mit mehreren kombinierten neuen Ideen und Innovationen die besten Lösungen hervorbringen.» So wie die ganze Bau- und Immobilienbranche ein ökonomisches System in sich sei, brauche es für die Branche auch ein umfassendes digitales Immobilien-Ökosystem. «Wie schnell dieses tatsächlich zu verwirklichen ist, werden uns die kommenden Jahre verraten.»

  • Der Beitrag erschien erstmals in der März-Ausgabe (03/2021) im Schweizer B2B-Fachmagazin IMMOBILIEN BUSINESS.
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