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Büromarkt Schweiz: «Wir befinden uns in einem Umzugsmarkt»

Pierre Jacquot, Direktor Immobilienwirtschaft bei Edmond de Rothschild und CEO von Orox Asset Management sowie aktueller Präsident des Schweizer Immobilienverbands SVIT in der Westschweiz (Romandie), über den aktuellen Büromarkt Schweiz, dem er ein «anspruchsvolles Umfeld mit Potenzial» attestiert.

Kürzlich haben Credit Suisse, JLL und CSL Immobilien mehrere Studien über den Büromarkt Schweiz veröffentlicht. Ende 2018 standen in den 20 grössten Agglomerationen des Landes insgesamt 1,75 Mio. qm Bürofläche zur Verfügung. Dies entspricht einem Rückgang von rund vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zürich (ca. 560.000 qm verfügbar, oder -7%) und Genf (ca. 412’000 qm verfügbar, -4%) weisen die meisten freien Flächen auf. Auf den ersten Blick scheinen sich die Aussichten für den Schweizer Büromarkt zu verbessern, nachdem er in den letzten Jahren von einem massiven Überangebot geprägt war. Allerdings bleibt die Leerstandsquote sowohl im Gesamtmarkt als auch in etlichen Teilmärkten historisch hoch. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Eigentümer mit ihrem Angebot daher weiterhin der Nachfrage folgen, indem sie Mietpreise und -einrichtungen anpassen, Flächen flexibilisieren oder zusätzliche Dienstleistungen anbieten.

Starke Konjunktur stützt Nachfrage

Die erhöhte Nachfrage nach Büroflächen ist in erster Linie auf die starke Konjunktur zurückzuführen. Über die letzten Jahre entwickelte sich die Schweizer Wirtschaft erfreulich. Auch wenn die Konjunkturprognosen darin übereinstimmen, dass erste Anzeichen einer Abschwächung auszumachen sind, planen die meisten Unternehmen, ihre Mitarbeiterzahl in den kommenden Monaten zu erhöhen. Dieser Optimismus erfasst jedoch nicht alle Wirtschaftszweige. Sektoren wie Banken und Versicherungen, Grosshandel und Telekommunikationsdienstleistungen sind stärker vom Strukturwandel betroffen. Namentlich in Genf, wo der Finanzsektor rund 20 Prozent der Arbeitsplätze stellt, relativieren drohende Rationalisierungen ein Stück weit den nationalen Aufschwung am Büromarkt. Zugleich kompensieren Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Informationstechnologie, Dienstleistungen oder auch die öffentliche Verwaltung die erwähnten sektoralen Schwierigkeiten teilweise. Schliesslich steigt in verschiedenen Branchen der Anteil der Bürokräfte im Vergleich zu den Industriearbeitern oder Handwerkern. Heute verkaufen Industrieunternehmen nicht mehr nur ihre Maschinen und Anlagen, sondern auch die damit verbundenen Services wie Online-Produktdienstleistungen, Fernwartungen sowie Analysen der Produktionsprozesse.

Investoren agieren mit Vorsicht

Angebotsseitig sind Immobilienprojekte, einschliesslich Büros, weiterhin durchaus attraktiv: Gründe sind niedrige Zinsen und Finanzierungskosten wie auch der Mangel an adäquaten Investitionsalternativen. Während die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnimmobilien in den letzten Jahren sehr hoch war, agierten Investoren bei Büroimmobilien aufgrund des Nachfragerückgangs und erheblicher Leerstände in dieser Anlageklasse vorsichtiger. Diese Zurückhaltung ist in den Ballungszentren wie Zürich, Genf, Basel, Bern und Lausanne ebenso manifest wie in mittelgrossen Städten wie Winterthur, Luzern und Zug, Aarau, St. Gallen und Lugano. Die flaue Situation auf dem Büromarkt Schweiz hat gekoppelt mit dem Nachfrageüberhang beim Wohnraum zu einer gewissen Zunahme bei der Umnutzung von Flächen geführt. Dieses Phänomen bleibt jedoch über alles betrachtet marginal, da es im vergangenen Jahr nur 18.000 qm ausmacht. Das liegt mitunter an den Umwandlungskosten, die mit rund 2.000 Schweizer Franken pro Quadratmeter zu Buche schlagen.

Hohe Auslastung in Stadtzentren, Neubauprojekte in der Peripherie

Der derzeitige Rückgang der Leerstandsquote ist im Wesentlichen auf die hohe Auslastung der Gebäude in den Innenstädten zurückzuführen. Das Angebot in diesem Segment ist in Zürich um rund 45 Prozent und in Genf um 30 Prozent gesunken. Betrachtet man die Standorte von Bürogebäuden in diesen grossen Ballungsräumen genauer, stellt man fest, dass sich 20 Prozent des Angebots in historischen Geschäftsvierteln und rund 25 Prozent in der Innenstadt oder in Subzentren befinden. Zu letzteren gehören die zentralen Quartiere von Altstetten und Oerlikon in Zürich sowie der sich im Bau befindende Stadtteil Pont-Rouge in Genf. Eine grosse Zahl der wesentlichen Immobilienentwicklungen der letzten Jahre wurde ausserhalb der Innenstädte realisiert. Dafür wurden abgelegene Orte oder sogar die Peripherie gewählt. Also an Stellen, wo noch Bauland vorhanden ist. Es verfügen alle über ein gemeinsames Merkmal: ihre Zugänglichkeit und ihre Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Schienennetz. Die Erreichbarkeit für Mitarbeiter und Kunden ist zweifellos der wichtigste Faktor bei der Wahl eines Firmensitzes. Die Vermarktung von Flächen bleibt an diesen Standorten, im Gesamtumfeld eines Überangebots, jedoch eine echte Herausforderung. Folglich befinden wir uns in einem Umzugsmarkt, in welchem die Unterzeichnung eines Mietvertrages auf der einen Seite zu einem Leerstand an anderer Stelle führt. Die Mieter sind es schliesslich, die neue Grundstücke zu besseren Konditionen erhalten.

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