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«Muss das sein?»

DOMBLICK - Kolumne Digitales Bauen - Prof Dr Adrian Wildenauer - BFH Berner Fachhochschule - Version B1 - Kolumne 1 - VÖD 23112023

Gast-Kolumne von Prof. Dr. Adrian Wildenauer, Professor für digitales Bauen an der Berner Fachhochschule, Departement Architektur, Holz und Bau.

Willkommen in der kleinen, imaginären Planungs- und Baufirma von Beate Bütikofer und Hermann Hugentobler, irgendwo in der Schweiz. Beate bezeichnet sich selbst als «digital open native» und das ist sie mit unbändiger Leidenschaft. Immer die neuesten Gadgets dabei und flexibel im Arbeiten. Hermann bezeichnet sich selbst als «digital naiv» und hält nur bedingt etwas von neuen Technologien. Für ihn zählen sein (in farbigen Ordnern sorgfältig dokumentiertes) Fachwissen sowie sein grosses und regelmässig gepflegtes Netzwerk.

In den nächsten Kolumnen begleiten wir die beiden ein bisschen. Sie werden auf Herausforderungen treffen, die der Autor aus eigener Erfahrung kennt. Ähnlichkeiten mit dem realen Leben sind durchaus beabsichtigt – sind wir ehrlich, jede/r von uns kennt zwei solche Kollegen.

Mit der Zeit gehen oder mit der Zeit gehen?

An einem grauen Novembermorgen platzt nun also die Beate in Hermanns Büro. Sie war gestern bei einem Vortrag der Beratungsfirma MoneyMaker AG. Dort wurde ihr klipp und klar vermittelt, dass die öffentliche Hand in naher Zukunft keine Aufträge mehr an Firmen vergeben werde, die weiterhin am analogen, klassischen Planen und Bauen festhalte. Düstere Prognosen wurden gestellt: auch die öffentliche Hand wolle mit der Zeit gehen, Fachkräftemangel, umständliche Prozesse, alte Zöpfe, MoneyMoneyMoney…

Digitale Tools sollen neu helfen, anstehende Projekte zu bewältigen. Öffentliche Bauherren seien Vorreiter im digitalen Planen, Bauen und Nutzen und würden in den nächsten Jahren eine erhebliche Anzahl von Projektaufträgen nur noch digital ausschreiben und umsetzen. Beate findet, es sei jetzt 5 vor 12 oder eigentlich schon nach 12, wenn man sich noch gar nicht damit beschäftigt habe. Sie als Firma müssten endlich vorwärts machen mit der Digitalisierung, sonst würden sie abgehängt.

Geschwätz und Hysterie?

Hermann findet Beate ein bisschen hysterisch. Das sei doch alles Geschwätz, aktuell gebe es keine übergeordnete Strategie des Bundes oder der Kantone. Das würde er ja wohl wissen, ist er doch selbst im Kantonsrat! Digitales war bisher nie so wirklich auf der Agenda, wenn es um die Kombination mit Bauen ging. Bauen ist immer noch Beton, Backstein und Bewehrung. Ärmel zurückkrempeln und Anpacken. Digitales ist doch einfach Geklicke ohne Mehrwert. Warum denn nun plötzlich bewährte Prozesse ändern? Solange er sich erinnern kann – und das ist wirklich schon eine ganze Weile – hat es doch immer gut funktioniert. Wieso nun alles über den Haufen werfen und unnötige Kosten generieren, die man ebenso gut (wenn nicht besser!) in den nächsten Mitarbeitenden Ausflug in die Toskana investieren kann?

Zugegeben, die Projekte werden immer komplexer, es sind heute gefühlt 100 Parteien im Tisch, wenn man eine Wohnüberbauung bauen möchte. Und ja, manchmal geht etwas vergessen. Wie letzte Woche, als der Heiri von der Elektroblitz AG seine Kabel noch nicht verlegt und der Fritz von der Gestrichen GmbH alle Wände schon verputzt hatte. Ab und zu ein kleiner Disput über die Zuständigkeiten. Das war doch immer schon so. Aber nichts, was sich nicht bei einem Zmittag im Sternen regeln liesse. Das sind so Anekdoten, die schweissen einen auch zusammen und die kann man immer wieder seinen Enkeln erzählen.

MS Teams, Miro und diese anderen Dinge…

Wo man man besser mal Zeit sparen würde, seiner Meinung nach, sind die gefühlt tagelangen «Teamsmeetings». Auch so eine Beate-Idee. Dieses agile Arbeiten («Zetteli kleben») in diesem komischen Miro-Dings wird er nie verstehen und macht es eigentlich nur, weil es alle anderen machen. Kostet auch wieder, das neue Zeug. Aber gut, denkt er, wenn Beate meint, das bringe sie weiter und sich drum kümmert, ihm soll’s recht sein. Er hat schon manches kommen und gehen sehen…

In den nächsten Kolumnen zum Thema Digitales Bauen werden die beiden generationenübergreifend grundlegende Themen des digitalen Bauens eruieren und sich möglicherweise zusammenraufen, um das beste Ergebnis für sich und die Firma zu erreichen.

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