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DWS: Interview mit Nicoletta De Bona Bottegal

DOMBLICK-Beitrag DWS Group Interview mit Nicoletta di Bona Bottegal

Lead Portfolio Managerin Nicoletta De Bona Bottegal der DWS Group stellt sich im DOMBLICK-Interview Fragen zum aktuellen Geschehen auf den europäischen Immobilienmärkten und nennt Investitionschancen im Zuge von Nachhaltigkeitsaspekten und Dekarbonisierungsstrategien in den Gebäudeportfolios. Die DWS Group ist mit einem verwalteten Vermögen von 841 Milliarden Euro (Stand: 31. März 2023) einer der weltweit führenden Vermögensverwalter.

ESG und Netto-Null-Verpflichtungen sind aktuelle Treiber in den europäischen Büroimmobilienmärkten. Wie schnell können hier Gebäudeemissionen gesenkt werden und wird es früher oder später auch zu sogenannten «Stranded Assets» kommen?

De Bona Bottegal: Wir müssen hier ehrlich sein: Drei Viertel des UK-Büroimmobilienmarktes erreichen nicht einmal Minimalziele hinsichtlich Energieeffizienzstandards, welche bis 2030 implementiert werden müssen. Das heisst im Umkehrschluss: Wir sitzen bereits auf sogenannten «Stranded Assets». Bei Immobilien in dieser Kategorie wird es «Brown Discounts» geben, weil sie zu hohe Energieverbräuche und CO2-Emissionen haben. Spätestens beim tatsächlichen Verkauf wird dies in einer Transaktion eingepreist. Das heisst auch: Wir werden bei einigen Assets signifikante Verluste sehen, bei den Bewertungen und bei stattfindenden Deals.

Was ist also zu tun? Zentral sehe ich hier die Themen Energieeffizienz und Energiesparen. Die Verwendung von erneuerbaren Energien ist einer der wichtigen Faktoren oder auch das Verwenden von Gebäudematerialien, die rezyklierbar bzw. wiederverwendbar sind. Wir müssen somit bei Neubauprojekten auch bereits bei der Planung wieder den späteren Rückbau oder den Abriss mit einrechnen. Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken: Wir müssen einfach runterkommen von den aktuellen Gebäudeemissionswerten eines typischen Bürogebäudes in Europa mit 200 bis 300 kg CO2e pro Quadratmeter auf nur noch 50 kg CO2e/qm. Dies erreichen wir momentan nur mit einigen Neubauten, jedoch nicht mit den Gebäuden im Bestand.

DWS hat sieben Städte in Europa identifiziert, in denen es sich lohnt, gut gelegene Büroobjekte der Klasse B in «nachhaltige Büroflächen der nächsten Generation» umzuwandeln. Welche sind diese und warum?

De Bona Bottegal: Basierend auf unserer Scoring-Methode hat die Analyse von 30 europäischen Städten sieben Märkte bzw. Teilmärkte hervorgehoben, die als die attraktivsten für eine Bürorenovierungsstrategie gelten. Diese Märkte haben wir als unsere „primären strategischen“ Zielmärkte identifiziert. Diese sind London mit West End und City-Lagen, das Zentrum von Paris sowie München und Berlin in Deutschland. Hinzu kommt Amsterdam als einer der Hauptprofiteure des Brexits und Stockholm wegen seiner hohen Lebensqualität, starker Urbanisierung und junger Bevölkerung.

Schliesslich empfehlen wir noch Madrid, vor allem auch wegen des hohen Anteils an innerstädtischem Wohnen. Dort sind die Mitarbeitenden eher bereit, kurze Strecken zum Büro zu pendeln. Die spanische Hauptstadt verzeichnet weiterhin eine der stärksten Büroauslastungen nach der Covid-Pandemie. Wir gehen generell davon aus, dass der Kapitalwert von Büroimmobilien der Kategorie B in ganz Europa in den kommenden Jahren weiter sinken wird. Wichtige Faktoren bei der Bestimmung der zu erzielenden Renditen sind neben den Baukosten das Potenzial für Mietsteigerungen und der zu erwartende Ausstiegspreis.

Darüber hinaus nennen Sie noch sieben weitere europäische Städte, die Sie in die Kategorie «taktische Zielstädte» einordnen. Um welche handelt es sich hierbei und welche Investmentchancen bieten diese?

De Bona Bottegal: Wir haben sieben weitere sogenannte „taktische Zielstädte“ als potenzielle Zielmärkte ermittelt. Dort sehen wir bei einer angemessenen Preiskorrektur ebenfalls Chancen für die Umsetzung einer Bürosanierungsstrategie bei Bürobestandsbauten. Hierzu zählen wir Mailand, Dublin und Frankfurt am Main. Die Mainmetropole etwa bleibt eine Stadt mit hoher Produktivität und ein globales Drehkreuz für Unternehmen. Zudem sorgt hier ein hoch liquider Büromarkt für komfortable Verhältnisse. Auch die Mikrolage innerhalb dieser Märkte ist ausserordentlich wichtig. Zentral gelegene und gut angebundene Objekte mit einem guten Angebot an Wohn-, Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten werden sich voraussichtlich besser entwickeln. Die weiteren Städte in dieser Gruppe sind Barcelona, Edinburgh, Hamburg und Kopenhagen.

Was steckt hinter der neuen DWS-Methodologie «Sustainable Next Generation Office», kurz: SNGO, um Investmentchancen zu definieren? Welche sind die Kriterien bzw. Indikatoren?

De Bona Bottegal: Um die Überalterung des Bürosektors zu vermeiden, ist eine Umstellung auf nachhaltige Bürogebäude der nächsten Generation, der Sustainable Next Generation, kurz: SNGO, erforderlich. Hierzu gab es aber bisher keine allgemein anerkannte Definition. Unserer Ansicht nach ist der wichtigste und entscheidende Faktor eines SNGO die Widerstandsfähigkeit. So haben wir ein Bewertungssystem entwickelt, das auf vier allgemeinen Kriterien basiert. Diese sind: der Mikro-Standort, ESG- und Netto-Null-Ausrichtung, Fokus auf den bzw. die Nutzer sowie Asset-Spezifikationen.

Das neue DWS-Scoring misst sowohl das SNGO-Potenzial als auch die Lebensfähigkeit einer Immobilie. Dies ist wichtig, wenn entschieden werden soll, ob ein Objekt saniert werden kann. Darüber hinaus kann das Scoring genutzt werden, um das Risiko von Preiskorrekturen im aktuellen Portfolio und bei der Transaktions-Due-Diligence zu identifizieren. Hier wird geprüft, ob eine Anlage bzw. das Asset als „zukunftssicher“ angesehen werden kann. Wir von DWS haben hier eine holistische Herangehensweise. Neben dem Mikrostandort sind ESG- und Net-Zero-Komponenten relevant sowie auch die technische Gebäudeausstattung. Hier unterstützen wir auch jene Strategie, die mittels Digitalisierung mehr Effizienz in die Immobilie bringt.

«Green Premiums» für erstklassige und nachhaltige Büroobjekte sowie «Grey Discounts» für alte Immobilien und periphere Lagen. Wie weit öffnet sich hier die Preisschere im Büromarkt europaweit gesehen?

De Bona Bottegal: Zwischen Grau und Grün gibt es teilweise bereits grosse Unterschiede.  Was die Kapitalwerte betrifft, so ist die Preislücke bei zertifizierten Bürogebäuden in London bis zu 50 Prozent gross, in Paris beträgt die Lücke auf der Grundlage der Transaktionen der letzten beiden Quartale derzeit 25 Prozent. Das Preisgefälle hat sich seit 2019, als es bei etwa zehn Prozent lag, schrittweise vergrössert.

Neubauten versus Bauen im Bestand – was spricht jeweils dafür und was dagegen? Und: Welche Strategie ist am Ende die erfolgversprechendere?

De Bona Bottegal: Wir können nicht nur einfach neue Immobilien bauen. Eine Zahl, die das vielleicht ganz gut illustriert: 80 Prozent der heute existierenden Gebäude werden auch noch im Jahr 2050 stehen. Hier braucht es also den „retrofit“ mittels besserer Energieeffizienzen. Das ist auf die lange Sicht ein moralisches Bekenntnis, zugleich aber auch ein geschäftlicher Faktor. Dies müssen sich die Immobilieneigentümer ganz bewusst vor Augen halten.

Zum Abschluss noch eine Frage zu langfristigen Anlagethemen: Was tut sich hier im Bereich Wohnimmobilien und bei der Logistik?

De Bona Bottegal: Beide Asset-Klassen sind Sektoren mit Rückenwind, wenn man einen Zeitraum auf die nächsten zehn Jahren und  darüber hinaus betrachtet. Es fehlen in beiden, Wohnen wie Logistik, die Flächen bei gleichzeitig hoher Nachfrage. Beim Wohnen gibt es den deutlichen Shift hin zu mehr Mietwohnungen, zugleich werden die Familien kleiner und pro Wohnungseinheit gibt es damit weniger Menschen. Die Folge: Wir brauchen in Zukunft auch wieder viel kleinere Einheiten statt Einfamilienhäuser. Eigentumswohnungen sind hinsichtlich Kauf relativ teuer geworden, und es wird wieder mehr gemietet  Unser Investitionsschwerpunkt liegt hier auf der Marktseite mit erschwinglichen Mieten.

Der Logistiksektor hat einen wichtigen Schub durch die Pandemie und durch den stärkeren Online-Handel erfahren. Bei der Logistik sehen wir einen Langzeit-Wachstumstrend. Die Yields in diesem Bereich sind jetzt teils 100 bis 150 Basispunkte höher als in der Spitze 2021 und im frühen 2022 . Die Nachfrage im Online-Handel stützt auch das Mietsteigerungspotenzial und mit dem Hinterfragen von globalen Lieferketten und dem Brexit gibt es zudem eine Neukalibrierung im europäischen Logistiknetzwerk. Ich denke, auch einige Produktionslinien werden wieder zurück nach Europa geholt. Am Ende ist das aber eine Frage der Arbeits- und Herstellungskosten.

Vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch!

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