Mehr als 20.000 Besucher kamen dieses Jahr zu der Internationalen Immobilieninvestmentmesse MIPIM nach Cannes an die Côte d’Azur. Es waren damit gut ein Fünftel weniger Messegäste im und am Palais des Festivals als beim vorangegangenen Anlass im 2019. Nach der euphorischen Hochstimmung vor drei Jahren, beherrschten nun Krisen, Konflikte und Krieg als Risikofaktoren für die Immobilienbranche viele Diskussionen vor Ort.
Vom 15. bis 18. März fand die MIPIM 2022 statt – und sie stand fern der Brancheneuphorie von vor drei Jahren unter dem Eindruck eines knapp 2.000 Kilometer entfernten Konfliktes. Während die Ukraine zumindest noch mit einem, meist verwaisten, Stand zumindest optisch vertreten war, gab es von Russland oder russischen Städten kaum eine Spur. Lediglich einige augenfällige Lücken im Messe-Raumprogramm liessen darauf schliessen, dass es auch hier kurzfristig Absagen gegeben hatte.
Die Zinsen steigen wieder…
Auch die Branchen-Buzz-Words ESG, Impact Investing und Zinsniveau waren vielerorts Teil der Gespräche. Allein von der Federal Reserve Bank in den USA erwartet man nun noch dieses Jahr weitere Zinsschritte, die am Jahresende Leitzinsen von knapp unter zwei Prozent bringen würden. Der Markt geht davon aus, dass auch weitere Zentralbanken (UK, EU, CH) dem, wenn auch zeitversetzt, folgen. Für die Schweiz heisst das: Negativzinsen werden schon bald wieder der Vergangenheit angehören. Bei den zehnjährigen Bundesobligationen wurde denn auch schon am Messe-Mittwoch (16. März 2022) ein Wert von 0,425 Prozent erreicht – ein Niveau, welches zuletzt Ende 2014 verzeichnet worden war.
… und wie weiter mit der Dekarbonisierung?
Auch das Thema nachhaltige respektive grüne Investments war in vielen MIPIM-Panels und -Diskussionen vertreten. Doch auch wenn hier inzwischen viele Möglichkeiten zur Nachhaltigkeitsmessung sowie Zertifikate und Labels vorhanden sind: Die kommenden Jahre werden die Bau- und Immobilienwirtschaft auf vielen Ebenen herausfordern. Allein auf Seiten der Energieträger ist dem Wandel fort von den fossilen hin zu den erneuerbaren eine weitere Dimension mit dem Ukraine-Russland-Konflikt dazugekommen. Nun gilt es, in die Bestrebungen der Immobilienbranche hinsichtlich Dekarbonisierung die Faktoren Öl und Gas neu zu bewerten. Ob dies am Ende dazu führt, dass Öl- und Gasheizungen hierzulande früher ins Alteisen kommen werden, bleibt abzuwarten.
Abschied von alten Zöpfen
In den traditionellen Asset-Klassen zeichnen sich zudem weitere markante Veränderungen ab. Die althergebrachten Immobilien-Klassifizierungen wie Wohnen, Büro und Retail werden diverser. Dies zeigten schon die vergangenen Jahre dank Online-Shopping, Coworking und Coliving. Dass sich auch Neues in der Hotellerie tut zeigte beispielsweise das Hospitality-Forum am Messe-Donnerstag. Swiss Life Asset Managers rief dort die neue Investmentklasse Camping aus und überlegt gar die Auflage eines eigenen Fondsprodukts in diesem Bereich. Generell lässt sich sagen: Die Sterne-Klassifizierungen verlieren bei den Hotelnutzern an Wichtigkeit. Im Vordergrund steht mehr und mehr das aussergewöhnliche Erlebnis. Hier sind es vor allem besondere Standorte und Reisen nahe an der Natur und an den Menschen vor Ort.
Propel-Awards für Newcomer
Auf der Immobilienmesse in Cannes wurden in diesem Jahr auch die vier Gewinner des PropTech-Wettbewerbs Propel gekürt: Aus den 20 Finalisten wurden centralF (Optimierungstool für Arbeitsplätze) in der Kategorie Daten, Apricot (Leasing für Eigenheimkäufer) in der Kategorie Investment, OakTree Power (Bedarfsoptimierung bei Gebäudeenergien aus London/UK) in der Kategorie Nachhaltigkeit und Parametric Solutions (Softwarelösung für Projektentwicklungen aus Göteborg/Schweden) in der Kategorie Nutzererfahrung prämiert. Ein Schweizer Proptech-Startup war in dem global aufgestellten Competition nicht vertreten.
Schweizer Projekt siegt im MIPIM-Wettbewerb
Dafür gab es aber am Abend des Messe-Donnerstag einen Preis für ein herausragendes helvetisches Bauprojekt: In der Kategorie «Best Cultural and Sports Infrastructure» wurde das Musée Atelier Audemars Piguet in Le Brassus ausgezeichnet. Die von der dänischen Bjarke Ingels Group (BIG) entworfene Museumserweiterung umfasst eine neue Glasstruktur, die sich mittels zwei Spiralbauten in die Landschaft integriert. Im Inneren bietet das Museum einen Einblick in die Geschichte der Uhrenindustrie im Vallée de Joux.
25-Jahres-Jubiläum der Schweizer Messestände
Etwas zum Feiern hatten in diesem Jahr auch die beiden Schweizer Netzwerke Swiss Circle für die Deutschschweiz und Horizon Léman für die Westschweiz. Die Messestand-Organisatoren und -Initianten Roman H. Bolliger und Yves de Coulon freuten sich, vom MIPIM-Veranstalter RX zum 25-Jahres-Jubiläum Glückwünsche sowie zwei «Geburtstagskuchen» überreicht zu bekommen. Die Übergabe fand im Anschluss an das «Forum Suisse» statt. Dort diskutierten Schweizer Branchenakteure von Swiss Prime Site, Mobimo, M3 Groupe und Wüest Partner zum Thema «Mobilität und ihre Folgen für die Immobilienwirtschaft». Mehr als 50 Unternehmungen aus der Schweiz nutzten im 2022 die beiden Messe-Plattformen Swiss Circle und Horizon Léman für den internationalen Austausch an der Côte d’Azur.
- Die Immobilienmesse MIPIM 2023 findet im kommenden Jahr vom 14. bis 17. März statt.