Spaceflow ist eine Mieter-App, die inzwischen Nutzer auf mehr als drei Millionen Quadratmeter Fläche in Wohn- und Büroimmobilien begleitet. Die Prager PropTech-App findet sich beispielsweise in markanten Gebäuden in Kopenhagen, Wien und London oder sogar in den Talan Towers im kasachischen Nur-Sultan. Die DOMBLICK-Redaktion hat Spaceflow-Gründer Lukas Balik u.a. gefragt, wie sich die fortschreitende Digitalisierung auf das Gebäudenutzerverhalten auswirkt.
Hallo Lukas. Digitalisierung ist in der Immobilienbranche heute der entscheidende Faktor für künftige Effizienz und Erfolge im Gebäudebetrieb. Welche Entwicklung stellst Du bei diesem Thema mit Deinem PropTech-Unternehmen Spaceflow fest?
Lukas Balik: Als ich Spaceflow vor vier Jahren mitbegründete, begann Property Technology (PropTech) gerade erst, Aufmerksamkeit zu erregen. Seitdem hat sich der Markt massiv weiterentwickelt. Damals, 2016, hatten wir das Glück, eine der ersten Plattformen für die Digitalisierung des Lebens und Arbeitens in Gebäuden zu sein. Auch wenn andere Branchen durch Technologie bereits weitgehend disruptiert wurden, ich denke da an Facebook, Uber, Netflix und Spotify, hatte der Immobilienmarkt lange Zeit keinen wirklichen Druck, Innovationen schnell umzusetzen, neue Technologien zu implementieren oder Digitalstrategien zu konzipieren. Dieses große Paradoxon hat mich dazu ermutigt, die Vorteile von Technologie noch mehr in die Immobilienbranche einzubringen. Was uns dabei half: Von Anfang an hatten wir die Möglichkeit, die PropTech-Veranstaltungen auf der ganzen Welt zu besuchen und dort zu sprechen.
Und dann kam das Jahr 2020 und die COVID-19-Krise. Was hat sich Deiner Meinung nach bei der Wahrnehmung und dem Bedarf von Technologie geändert?
Gebäude müssen sich an die neue Realität anpassen. Wir alle müssen sicherstellen, dass wir in einer sicheren und gesunden Umgebung leben und arbeiten. Technologie kann dabei helfen, dies mit berührungslosen Endpunkten, Belegungsüberwachung, Luftqualitätsdaten, Zugang zu Echtzeitinformationen und mehr zu erleichtern.
Vermieter müssen stärker auf die Nutzer zugehen und datengesteuerte Entscheidungen treffen. Ein Beispiel ist der Aufbau von Beziehungen über digitale Kommunikationsmethoden und die Durchführung von Umfragen zur Mieterzufriedenheit, um etwa das Nutzererlebnis zu verbessern.
Wie wirkt sich das konkret auf die Nutzer von Immobilien aus?
Neue Möglichkeiten im Post-COVID-Leben, wie zum Beispiel die Verwaltung von Räumen. Wir nennen das Space-as-a-Service, die Einführung von Funktionen, die Mieter anziehen, die Unterstützung flexibler Mietverträge und die Erschließung neuer Einnahmequellen, wenn traditionelle gekürzt werden oder gar wegfallen.
Hinzu kommt, dass Mieter jetzt voll integrierte Produkte und erstklassigen Support erwarten. Zu glauben, dass Vermieter im Jahr 2021 und darüber hinaus herausfordernde Zeiten erwarten können, ist wohl eher eine Untertreibung.
Welche Erfahrungen habt Ihr da in den vergangenen vier Jahren gesammelt?
Wir bei Spaceflow haben gelernt, dass die digitale Transformation ein Prozess ist und Kunden auf dieser Reise umfassende Unterstützung benötigen. Die Ergebnisse sind oft nicht über Nacht sichtbar. Aber um einen langfristigen Wert zu schaffen, muss man ein starkes Fundament haben, auf dem man aufbauen kann.
Das Gleiche gilt für die Vermieter-Mieter-Beziehung. Ich glaube, dass die Grundlage für jedes Gebäude, egal ob es sich um eine Büroimmobilie, Wohnimmobilie oder ein gemischt genutztes Projekt handelt, die Integration von Daten, Technologie und Menschen ist. Während 2019 die sogenannten Mieter-Erlebnisplattformen noch ein «nice-to-have» waren sind sie jetzt, 2021, ein «need-to-have».
Inzwischen haben wir mit vielen in der DACH-Region tätigen Unternehmen und für deren Gebäude dort Kooperationen vereinbaren können, etwa mit Allianz Real Estate, CA Immo, Erste Group, Karimpol oder der S+B Gruppe. Dies in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt zu haben, darauf sind wir sehr stolz.
Sind denn alle Gebäude bereit, alt wie neu, um sich den heutigen Anforderungen und Erwartungen an sie zu stellen?
Ich hatte das Glück, das Wachstum von PropTech im vergangenen halben Jahrzehnt aus erster Hand zu erleben. Heutzutage haben die Betreiber technische Lösungen für praktisch den gesamten Gebäudezyklus. Für den mieterseitigen Betrieb bedeutet das Einmalanwendungen wie Zugangssysteme, Belegungsüberwachung über IoT-Sensoren, Energieüberwachung, Mieter-CRMs und Facility-Management-Tools. Aber um wirklich ein starkes Wertversprechen zu haben, muss die jeweilige Lösung eine Rolle im gesamten Gebäude-Ökosystem spielen.
Alle Gebäude da draußen brauchen ein Betriebssystem für ihre Nutzer. Von den Menschen sollte nicht erwartet werden, dass sie zwischen mehreren Apps hin- und herspringen müssen, um ihre Räumlichkeiten effektiv nutzen zu können. Daher haben sich Tenant-Experience-Plattformen zum wichtigsten Gebäudeintegrator entwickelt und spielen nun eine entscheidende Rolle als Dach für fast jeden Anwendungsfall, den man in einem Gebäude finden kann. Hier beginnt die digitale Reise.
Wie kann das konkret aussehen?
Stellen wir uns vor, wir mieten eine Wohnung oder ein Büro. Der gesamte Prozess beginnt mit der Unterzeichnung eines Vertrags innerhalb der digitalen Plattform, die sofortigen Zugang zur gesamten Gebäudegemeinschaft gewährt. Von dort aus ermöglicht die Mieterlebnisplattform, Türen nahtlos mit dem Smartphone zu öffnen, ohne Schlüsselkarten verwenden zu müssen. Aber auch einen Parkplatz buchen, einen Besucher einladen, den Energie- und Wasserverbrauch überwachen oder einfach Probleme an den Vermieter melden, gehört dazu. Oder Reinigungsdienste bestellen, die Miete bezahlen und alles bis hin zur Vertragskündigung am Ende. Die ganze Reise, das Leben und Arbeiten im Gebäude, wird an einem Ort abgebildet. Wenn ich jetzt nur daran denke, wie viele Gebäude derzeit noch keinen dieser Prozesse digitalisiert haben…
…dann ist das ein sehr großes Potenzial für Plattformlösungen…
Ja, genau, so sehe ich das ebenfalls! Man sagt ja auch, dass der erste Schritt der schwerste ist, aber der Rest ist einfach ein unglaubliches Abenteuer. Ich glaube, jedes Gebäude auf der Welt sollte diesen ersten einen Schritt im Jahr 2021 in Betracht ziehen und eine digitale Ebene für die Nutzer implementieren. Es ist an der Zeit, die Immobilien-Ineffizienzen der Vergangenheit hinter sich zu lassen und Umgebungen und Räume zu schaffen, in denen wir alle gerne Zeit verbringen.