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Digitalisierung: Die Macht der Tech-Giganten

DOMBLICK-Beitrag - Digitalisierung - Die Macht der Tech-Giganten VÖD 20201109_(c) Pixabay

Die Tech-Giganten Google, Apple, Amazon drängen in weitere Segmente der Immobilienmärkte vor. Auch Microsoft, Samsung und Toyota mischen mit. Wer redet künftig mit bei der Entwicklung von Gebäuden, Quartieren und Städten? – Eine Bestandsaufnahme.

Smart Cities und IoT-Technologien – weltweit werden in diesem Bereich noch vor Ende des Jahrzehnts Umsätze in Höhe von über 60 Milliarden US-Dollar erwartet, so die Schätzung des New Yorker Analysehauses ABI Research. Mittelfristig erwarten die Experten ein jährliches Umsatzplus von elf Prozent in den kommenden Jahren. Zur Wertschöpfungskette zählen Apps, Netzwerke, Datenanalysen und Künstliche Intelligenz, die das Leben, Wohnen und Arbeiten in den Städten «smarter» machen sollen.

Alles vernetzen

Diese Umsatzprognosen wecken Begehrlichkeiten – vor allem bei den grossen und globalen Technikkonzernen: Cisco, IBM, Huawei, SAP, Siemens, Samsung, Oracle, Microsoft und noch einige andere; alle mischen mit und wollen ein möglichst grosses Stück vom Kuchen. So erklärte jüngst Microsoft-CEO Satya Nadella, mit der Cloud-Plattform Azure arbeite man an nichts Geringerem als einem «globalen Betriebssystem». Die Vision der Tech-Konzerne ist der vernetzte Mensch, die vernetzte Stadt, die vernetzte Welt.

Der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung kündigte diesen Sommer an, die komplette Immobilienentwicklungs- und -verwaltungsbranche zu digitalisieren. Für dieses Ziel spannt das Unternehmen mit Microsoft zusammen. Zentral hierbei ist die Azure-Cloud-Architektur. Der Grossteil der Geräte, die Samsung unter dem Produktetitel SmartThings herstellt ist für die künftige IoT-Welt konzipiert, vom Smartphone über Kühlschränke bis hin zu Fernsehgeräten. Als nächstes Ziel nennt Samsungs Vizepräsident Park Chanwoo «das vernetzte Städtemanagement». Der Konzern mit Sitz in Seoul entwickelt nun auch Gebäudemanagementsysteme inklusive Energiemonitoring und Sicherheitsüberwachung.

Neue Allianzen

Auch auf der anderen Seite des Pazifiks schläft man in Sachen Smart Cities nicht. Dort kooperiert Google unter anderem mit Apple und Amazon und gründete dazu im Dezember 2019 die Zigbee Alliance – «Connected Home over IP», um damit einheitliche Standards für die Immobilienbranche schaffen. Inzwischen hat die Allianz 145 Promotoren und Mitglieder, darunter auch Technikfirmen direkt aus der Immobilienwirtschaft, wie etwa die A.O. Smith Corporation, Schneider Electric, Assa Abloy und Signify.

Japans Automobilhersteller Toyota baut derweil an einer komplett vernetzten Kleinstadt mit automatisiertem Nahverkehr, Robotern und kommunizierenden Datensystemen. Der Name der Stadt ist «Woven City» und wird vom Konzern als Laboratorium für die Digitalisierung von ganzen Gemeinden verstanden. Toyota will eine Blaupause für eine reale und zugleich digitale Stadt schaffen, die mit einer eigenen Datenplattform, künstlicher Intelligenz und digitalen Dienstleistungen. Kooperationspartner ist dabei der japanische Telekommunikationsanbieter NTT. Auch hier ist die Ausweitung der Plattform mit vielen weiteren Kollaborationspartnern angedacht.

Wunsch und Wirklichkeit

«Woven City» soll als ein vollständig vernetztes Ökosystem entstehen, das mit Wasserstoffbrennstoffzellen betrieben wird und am Fusse des Fujiyama errichtet werden soll. Die Bewohner und Forscher in diesem «lebenden Labor» sollen Technologien betreffend Autonomie, Robotik, persönliche Mobilität und Smart Homes in einer realen Umgebung testen und entwickeln. Die Bandbreite reicht dabei von der Telekommunikation über Energiesysteme, Gesundheitsmanagement bis hin zu autarken Fahrdienstmodellen. Jun Sawada, CEO von NTT, will nun weitere Partner einladen, welche die Basis für die «Woven City»-Plattform verbreitern und das Modell im Erfolgsfall global ausrollen.

Dass der Weg zur komplett digitalen Welt jedoch noch weit ist, zeigt das gescheiterte Stadtteilprojekt «SF Shipyard» in San Francisco unter Beteiligung des deutschen Technikkonzerns Bosch. Geplant waren dort auf einem ehemaligen Werftareal der US-amerikanischen Navy mehr als 12.000 Wohnungen sowie Retail, Gastronomie, Büro- und weitere Gewerbeflächen. Als visionärer Entwickler des Vorhabens fungierte das Tochterunternehmen Five Point des US-Baukonzerns Lennar Urban. Bereits 2015 fiel dort der Startschuss für eine neue Community, vernetzt über eine Stadtteil-App und eine Cloud-Infrastruktur, über die die Annehmlichkeiten des Internet der Dinge geregelt und bedient werden – etwa das Öffnen der Türen, das Bestellen von Services rund ums Haus bis hin zum An- und Ausschalten der Beleuchtung von nah und fern.

Realität und Rückschläge

Die Realität sieht jetzt, fünf Jahre nach dem Beginn des Stadtteilprojekts, ganz anders aus: Reale Probleme vor Ort führten dazu, dass dieses Frühjahr der Stecker beim Vorzeigevorhaben gezogen werden musste. Altlasten und Umweltgifte auf dem einstigen Militärareal, ein gescheitertes Shoppingcenter-Projekt und letztlich auch die Corona-Krise brachten es zum Kippen, auch weil wichtige Investoren plötzlich absprangen.

Ähnlich holprig verliefen auch Googles Pläne für die Vision eines volldigitalisierten Stadtteils namens «Waterfront» in der kanadischen Ostküstenstadt Toronto. Dort waren es aber vor allem die vielen Bedenken der Bürger vor Ort, die eine Komplettüberwachung durch den Technologiekonzern fürchteten. Zusammen mit den Folgen der Pandemie war im Mai erst einmal Schluss mit den digitalen Ideen. Google setzt nun seine Hoffnungen in das Projekt «Middlefield Park» am Hauptsitz Mountain View in Kalifornien, wo eine neue intelligente Stadt mit 1.800 Wohnungen und Geschäften, Freizeit- und Gastronomieeinrichtungen entstehen soll.

Airbnb’s «Backyard» Pläne

Und auch Airbnb, die Apartmentvermittlungsplattform aus San Francisco, machte schon durch Smart Houses-Pläne auf sich aufmerksam. Während das Unternehmen weiterhin an seinem geplanten Börsengang bastelt, forscht ein unternehmenseigenes Zukunftslabor namens «Backyard» seit gut zwei Jahren an revolutionären Konzepten für die Bauwirtschaft.

Ziel sei es, nicht mehr nur fremde Immobilien zu vermitteln, sondern in nicht allzu ferner Zukunft, eigene Airbnb-Wohnungen und ganze Gebäude sowie Stadtquartiere zu planen, zu entwickeln und diese zu vermieten. Diese Apartments und Häuser, erbaut mit neuen und innovativen Baumaterialien und -techniken, sollen vor allem der Sharing-Economy-Generation gefallen – alles vollautomatisiert, technologisch smart und mit eigenen Komfort- und Baustandards. Doch auch hier bleibt abzuwarten, ob die hochfliegenden bunten Pläne nicht schon bald von der grauen Wirklichkeit eingeholt werden.

Dieser Beitrag erschien erstmals im Schweizer B2B-Fachmagazin IMMOBILIEN BUSINESS (Ausgabe 10/2020).

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