Eine ganze Phalanx von Property-Technology-Firmen arbeitet an neuen Lösungen für das Asset- und Property-Management. Aktuelle Beispiele zeigen, wie weit die Branche mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz schon gekommen ist.
Dass die letzten Jahre dank Kapitalflut und Niedrigzinsen für die Immobilienbranche äusserst profitabel waren, steht wohl ausser Frage. Diese «goldenen Zeiten» haben aber auch vielerorts dafür gesorgt, dass neue Chancen und Möglichkeiten digitaler Lösungen wahrgenommen, aber nicht angenommen wurden. Das Geschäft boomte ja auch ohne sie.
APIs und KPIs im Blickfeld
«Der Immobilienbranche ging es zu gut, es gab schlicht keinen Zwang, sich zu verändern. Die Digitalisierung wurde lange nur als Marketingmassnahme abgestempelt», sagt Matthias Standfest, CEO und Gründer des Zürcher PropTech-Unternehmens Archilyse AG. Diese Phase sei aber spätestens mit dem Beginn der Corona-Pandemie vor-bei und auch die alteingesessenen, traditionellen Immobilienunternehmen müssten nun ihr Handeln überdenken und anpassen. Das 2017 in der Limmatstadt als ETH-Spin-off gegründete Start-up Archilyse bietet ein Tool für die ganzheitliche Analyse und automatisierte Bewertung von Architekturmerkmalen und liefert objektive, qualitative Leistungsindikatoren der Gebäude. «Wir sehen einen Trend der Datenintegration, der sich nun noch verstärken wird, da die Traumrenditen nicht mehr zu erzielen sind. Der Wettbewerb wird also in Zukunft noch mehr im Fokus stehen», erklärt Nikolas Samios, Managing Partner bei PropTech1 Ventures, dem auf europäische PropTech-Start-ups spezialisierten Berliner VC-Fonds. Dieser ist kürzlich zusammen mit den Co-Lead-Investoren SIX Group AG und Swiss Immo Lab AG im Rahmen einer Series-A-Finanzierung bei Archilyse eingestiegen.
Plattformen und Module
«Die etablierten Akteure müssen sich überlegen, wie sie effizienter arbeiten und so mehr Hoheit über das Geschäft bekommen können», sagt Samios. «Man darf aber nicht von jedem digitalen Ansatz erwarten, dass er direkt alle Probleme aus der Welt schaffen kann», fügt Rebekka Ruppel, Deutschland-Geschäftsführerin des Schweizer Beratungsunternehmens Pom+, hinzu. So etwas wie ein Allheilmittel gebe es nicht. PropTechs fokussierten auf die Lösung von spezifischen Problemen, die dann bestmöglich in den Gesamtprozess integriert werden müssen. «Eine spezifische und individuelle Betrachtung ist zielführend. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Kosteneffizienz von Digitalisierungsprozessen», so Ruppel. Dies hat beispielsweise das PropTech Tower360 im Blickfeld, das eine eigene Technologieplattform für ein integriertes Immobilienportfolio und Asset-Management entwickelt. «Wir verbessern die Zusammenarbeit zwischen Asset-Managern und ihren Geschäftspartnern, indem alle Daten und Workflows auf einer einzigen Plattform konsolidiert werden», sagt Gründer Julian Vogel. Die Nutzer könnten Umsätze steigern und Risiken besser steuern, indem sie Prozesse rationalisieren und Echtzeitinformationen über ihre Immobilienportfolios abrufen. Derzeit kooperieren Vogel und sein Gründungspartner Chakra Banerjee in der Schweiz mit der Swiss Prime Site Group und deren Gruppengesellschaften. In Deutschland arbeitet das PropTech Tower360 mit dem Hamburger Investmentmanagementhaus HIH Real Estate zusammen.
Innovativer API-Ansatz
Einen anderen Ansatz verfolgt das Münchner Proptech Realcube auf Basis des Technologieprinzips «API-first». Dessen Cloud-Plattform bietet Eigentümern und Asset Managern die Möglichkeit, alle relevanten Immobiliendaten gebündelt zu führen und auszuwerten. Es ermöglicht aber auch die Integration verschiedenster etablierter Softwareanwendungen in das Partner-Ökosystem. «Kosten für marktübliche Schnittstellenprojekte werden somit eliminiert», sagt Realcube-Geschäftsführer Dr. Uwe Forgber. Bei den aktuellen Realcube-Nutzern, etwa aus den Segmenten Wohnungswirtschaft oder Retail, sind dank des wachsenden Ökosystems hocheffiziente Prozesslösungen in den Bereichen Mietvertragsmanagement, Mieter- und Vermietungsportale oder Indoor Navigation heute schon im Einsatz. «Die Entwicklung im Management von weiteren Stakeholdern schreitet mit hoher Geschwindigkeit voran», so Forgber.
Outgesourctes PropTech
Ein weiteres Beispiel für digitale Innovation im Immobilienmanagement ist das Londoner PropTech Coyote Software. Es bietet eine cloudbasierte Softwareplattform, die von M7 Real Estate, einem paneuropäischen Immobilienspezialisten für Multi-Let-Light-Industrial-Immobilien, und dessen Kundenkreis über acht Jahre intern entwickelt und genutzt wurde. Im September 2017 wurde die Plattform auch kommerziell auf den breiten Markt gebracht und als selbstständiges Unternehmen aufgestellt. Mittlerweile hat das PropTech einen Kundenstamm von über 30 Firmen aufgebaut. Coyote steht, ähnlich wie Realcube, für einen kooperativen Ansatz – indem es strategische Partnerschaften, etwa mit komplementären Plattformen wie Realla, Infabode, WiredScore und Nimbus Maps, eingeht. Zugleich kann es in Immobilienverwaltungssysteme wie Yardi, MRI und Tramps integriert werden. «Zwei Jahre nach der offiziellen Markteinführung verfügen wir über ein bewährtes Produkt und eine nachweis-bare Erfolgsbilanz», erklärt Coyote Software-CEO und Mitgründer Oli Farago.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Schweizer B2B-Fachmagazin IMMOBILIEN BUSINESS (Ausgabe 7+8/2020).