Nach Ansicht des Wirtschaftsforschungsteams von Edmond de Rothschild (EdR) sind die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die europäischen Wohnimmobilienmärkte bisher nur moderat. Diese könnten sich aber noch verschärfen, warnt Jean-Christophe Delfim, Economist Eurozone, Real Estate Markets.
«Trotz des Rückgangs der Transaktionsvolumina und des Baustopps im Frühjahr sind die Preise bisher weiter gestiegen. Die Faktoren, die die Wohnimmobilienpreise stützen, dürften sich abschwächen, insbesondere durch strengere Kreditvergabebedingungen», sagt Jean-Christophe Delfim, Economist Eurozone, Real Estate Markets, bei der Schweizer Unternehmensgruppe Edmond de Rothschild.
«Wir erwarten, dass sich das Wachstum der Preise für Wohnimmobilien in allen Ländern verlangsamen wird, so dass sie in einigen von ihnen leicht sinken und zwischen dem ersten Quartal 2021 und Ende 2021 ihren Tiefpunkt erreichen dürften.»
In seiner kürzlich durchgeführten halbjährlichen Analyse des Wohnimmobilienmarktes in Europa gehen Delfim und sein Research-Team zwar davon aus, dass die COVID-19-Krise vorerst nur geringe Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte hat. Es sei jedoch davon auszugehen, dass sich der allgemeine Trend in den kommenden Quartalen verlangsamen und dies in einigen der acht betrachteten europäischen Ländern zu einem Rückgang der Wohnungspreise führen werde.
Italien vor Erholung
Delfim und sein Team fest, dass sich das Wachstum der Wohnimmobilienpreise in Deutschland seit Beginn der Krise nicht verlangsamt hat. Es ist weiterhin das stärkste (7,8% seit Jahresbeginn), gefolgt von den Niederlanden (6,6%) und Grossbritannien (3,2%), welches im Vereinigten Königreich jedoch höher gewesen sei als in den drei vorangegangenen Jahren.
In der Schweiz stiegen die Preise für Wohnimmobilien weiterhin moderat (1,2% seit Anfang 2020), während sich die in den vergangenen Jahren beobachtete starke Dynamik in Portugal vor allem seit März stark verlangsamt habe. Über das Jahr betrachtet ergab sich aber hier dennoch ein Plus von 4,8 Prozent, während die Wohnimmobilienpreise etwa in Spanien stagnierten (0,2%).
Die analysierten Daten (bis Ende 2. Quartal 2020) deuteten zudem auf eine leichte Beschleunigung für Frankreich sowie auf den Beginn einer Erholung in Italien hin, so Delfim, wo die Preise seit einem Jahr auf niedrigem Niveau stagnierten. Zuvor waren die italienischen Preise im vergangenen Jahrzehnt um fast 18% gesunken.
Deutschland weiter robust
Der jüngste EdR-Immobilienmarktbericht fokussiert auf acht nationale Wohnimmobilienmärkte in Europa: Die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Portugal, Italien und die Niederlande. «Insgesamt erwarten wir nach wie vor, dass sich das Wachstum der Preise für Wohnimmobilien in allen Ländern verlangsamen wird, so dass sie in einigen von ihnen leicht sinken und zwischen dem ersten Quartal 2021 und Ende 2021 ihren Tiefpunkt erreichen dürften», so Ökonom Delfim. Im Gespräch mit DOMBLICK unterstrich er hier vor allem auch die unterstützende Rolle, die die grossen Haushaltsmaßnahmen der Regierungen sowie die äusserst entgegenkommende Geldpolitik gespielt hätten.
Delfims Prognosen für die acht europäischen Länder sehen wie folgt aus: «In der Schweiz dürfte sich das Wachstum der Wohnimmobilienpreise trotz der vorerst relativ guten Konjunkturdynamik insgesamt wieder verlangsamen und in Richtung eines leichten Rückgangs von voraussichtlich rund -ein Prozent gehen.» In Deutschland werde der Wohnimmobilienmarkt in den kommenden Quartalen am robustesten bleiben, wohingegen in Frankreich die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie die Wohnimmobilienpreise allmählich belasten dürften.
«Stamp duty holiday» endet im Vereinigten Königreich
In Grossbritannien werde im kommenden Jahr unter anderem ein bestimmtes Datum wichtig: der 24. März 2021. Denn bis dann werden dort nämlich erstmalige Hauskäufer von der Stempelsteuer auf die Grundsteuer befreit. «Die Nachfrage und damit die Preise wird dies bis dahin weiter stützen. Danach wird der Druck auf die Preise zunehmen», so Delfim. Die Preise für Wohnimmobilien in den Niederlanden werden nach seiner Ansicht in den kommenden Quartalen vermutlich steigen, wenn auch in einem Tempo, das sich auf plus ein bis plus fünf Prozent (gegenüber dem Vorjahr) verlangsamen könnte.
«In Italien könnte die verschlechterte Wirtschaftslage den seit Jahresbeginn beobachteten Preisanstieg umkehren. Das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit sicherlich das schlechteste in Spanien, wo der Wohnimmobilienmarkt nach praktisch allen von uns berücksichtigten Kennziffern an letzter Stelle aller anderen betrachteten Länder steht.» Das starke Wachstum der Wohnimmobilienpreise in Portugal dürfte sich nicht weiter fortsetzen. Delfim erwartet in den kommenden Quartalen praktisch eine Stagnation mit einer möglichen leichten Verzerrung nach oben.