Die bereits spürbaren Auswirkungen auf den Immobilientransaktionsmärkten sowie künftige Chancen und Risiken der Corona-Krise waren die Themen der jüngsten Edition von Real Estate Brains, der neuen Online-Konferenzreihe für die Immobilienwirtschaft in der DACH-Region.
«Was es jetzt braucht, sind individuelle und gemeinschaftliche Lösungen» sagte Dr. Daniel Brüllmann CFA, Head of Real Estate DACH bei UBS Asset Management, zu Beginn der dritten Real Estate Brains-Folge mit Blick auf die aktuelle Situation zwischen Mietern und Vermietern. Wichtig sei, dass die Marktakteure und Vertragspartner miteinander reden, und zwar über Mietstundungen und -aufschübe oder sogar das mögliche vollständige Aussetzen von Mietzinszahlungen. Entscheidend sei, führte Brüllmann weiter aus, dass man zwischen Immobilienbesitzern und -nutzern gemeinsame Lösungen finde, die beiden Seiten gerecht werden.
Die Schweiz ist anders
Zugleich stellte Brüllmann deutliche kulturelle Unterschiede in den Reaktionen auf die Covid-19-Pandemie fest. So würden beispielsweise viele Mieter in Grossbritannien, Spanien oder Italien ihre Zahlungen umgehend einstellen, ohne den Eigentümer zuvor konsultiert zu haben. In der Schweiz sehe es hingegen anders aus: Ein Grossteil der Mieter zahle zurerst seinen Zins und steige erst danach in Verhandlungen über einen allfälligen Erlass oder Teilerlass mit dem Vermieter ein. Auch auf dem Transaktionsmarkt gestalte sich die Lage derzeit recht unterschiedlich, je nach Land, das man im Visier habe. «In den angelsächsischen Ländern und auch in Frankreich ist es überwiegend zu einem Moratorium bei den Deals gekommen», sagt Brüllmann. Derweil laufe in der Schweiz und in Deutschland das Transaktionsgeschäft nach wie vor weiter. Auch die UBS habe erst in der vorletzten Woche einen Immobilienankauf eines Core-Büroobjekts in Deutschland finalisiert; Mieter sei dort eine staatliche Institution.
Transaktionen verzögern sich
Auch in der Schweiz liefen derzeit verschiedene Transaktionen weiter, berichtete Brüllmann. Hier könne es eventuell zu zeitlichen Verzögerungen kommen, beispielsweise, wenn die Objektbesichtigung vor Ort unter den Vorgaben des Gesundheitsschutzes koordiniert werden müsse. «Die Situation auf den Transaktionsmärkten ist und bleibt spannend», sagt der UBS-Experte. Jetzt gelte es, sich als Käufer oder Verkäufer gegebenenfalls schnell zu orientieren und sich zu bewegen. «Natürlich hoffen auch wir in dieser Situation auf das ein oder andere Schnäppchen», so Brüllmann.
Auch für Dr. Martin P. Furrer, Principal der international tätigen Kanzlei Baker McKenzie, ist «klar, dass die Auswirkungen des Corona-Virus auch die Welt der Immobilientransaktionen erreichen». Was er beobachte, sei beispielsweise die genaue Prüfung der fundamentalen Daten und Perimeter bei Transaktionen, die aufgegleist respektive abgeschlossen werden sollen, erklärte der Anwalt. Potenzielle Käufer schauten nun noch genauer hin und fragten nach, etwa nach der «Angemessenheit der Preisstruktur» oder der «finanziellen Stabilität des Vertragspartners», so Furrer.
Diskussion um MAC-Klauseln
Darüber hinaus stellten sich in Zeiten der Corona-Krise auch ganz neue Fragen im Deal-Prozess, berichtet Furrer und nennt ein paar Beispiele: Welche Garantien oder Gewährleistungen müssten zum Beispiel im Vertrag festgehalten werden? Gibt es allenfalls eine Mietsicherheit seitens des Verkäufers für das laufende Jahr? Oder mit Blick auf die involvierten Immobilienbewerter: Soll man drohende Mietausfälle einpreisen? Und falls ja, wie? Einige der Bewertungsfirmen gingen mittlerweile dazu über, in ihre Analysen Disclaimer einzufügen, in denen sie auf die besondere Marktsituation hinweisen, führte Furrer weiter aus. Hierbei gehe es beispielsweise um sogenannte MAC-Klauseln (MAC = Material Adverse Change, zu deutsch: eine wesentliche nachteilige Veränderung), bei denen im Rahmen eines Ankaufs dem Käufer die Möglichkeit gegeben wird, vom Kaufvertrag zurückzutreten und diesen nicht zu vollziehen. Der Hintergrund dieser Klauseln: Zwischen Abschluss und Vollzug des Kaufvertrags hat sich etwas ereignet, das eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse nach sich zieht, und was den Wert einer Immobilie nachteilig beeinflusst oder beeinflussen könnte – eben der genannte MAC.
«‹Keep an eye on your cashflow› scheint in der Krise das Gebot der Stunde zu sein» – in dieser Einschätzung waren sich beide Referenten der dritten Real Estate Brains-Online-Konferenz einig. «Schliesst weiter Transaktionen ab und schaut Euch die Deals an», richtete Brüllmann einen Appell an alle Marktteilnehmer. «Je mehr Transaktionen desto mehr und auch desto besser lässt sich die Situation einordnen.» Eine ungewollte Schockstarre im Transaktionsmarkt wäre wohl eines der Worst-case-Szenarien: ein aufgrund der Corona-Krise quasi trockengelegter Investmentmarkt.
Real Estate Brains – die neue Länder übergreifende Online-Konferenz
«Die Immobilienbranche hat ein starkes Bedürfnis, sich zu informieren und zu vernetzen. Dies gilt besonders angesichts der andauernden Corona-Pandemie und den damit einhergehenden erschwerten Bedingungen für den fachlichen Austausch und das Networking», sagt Swiss Circle CEO Dr. Roman H. Bolliger. Er hat daher Anfang April 2020 zusammen mit Mario Facchinetti vom Innovationsnetzwerk SwissPropTech und mit Wolfgang Moderegger sowie Jonas Haberkorn von Builtworld Deutschland bzw. Österreich das neue Online-Forum Real Estate Brains ins Leben gerufen. Es treffen sich hier nach Angaben der drei Veranstalter «die hellsten Köpfe der Branche» und diskutieren aktuelle Themen mit hoher Relevanz in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz, gern und kurz zusammengefasst als «DACH-Region».
Die dritte Edition zum Thema «Immobilientransaktionen» beispielsweise wurde am 21. April 2020 von mehr als 200 Teilnehmern im Netz verfolgt. Das nächste Real Estate Brains-Treffen wird am Dienstag, 28. April 2020, stattfinden. Dort geht es dann um die Frage «Corona-Krise = Immobilienkrise = Bankenkrise?». Referenten und Diskutanten sind dann Dr. Beat Schwab, unter anderem VR-Mitglied bei Zug Estates und SBB, sowie Ulrich Zick, Head of Treasury bei der Swiss Life-Tochterunternehmung Corpus Sireo. Die Teilnahme an den Online-Sessions ist frei und kostenlos. «Es ist lediglich eine Registration im Vorfeld hierzu nötig», erläutert Bolliger. Während der Referate können zudem von den Zuhörern und Zuschauern per Chat-Funktion Fragen an die «Real Estate Brains» gestellt werden. Die neue und vorerst wöchentlich stattfindende Veranstaltungsreihe wird auch im Monat Mai fortgesetzt.
- Dieser Beitrag wurde erstmals im Schweizer Immobilienbrief (Ausgabe 298) publiziert.