Das Wachstum in den grossen Wirtschaftsräumen dieser Welt verlangsamt sich. Doch nach Meinung von Invescos Chef-Researcher Timothy Bellman reicht es weiterhin aus, um die Nachfrage nach Immobilien zu stützen.
«Logistik übergewichten, Retail untergewichten» – auf diesen kurzen Nenner brachte es kürzlich Timothy Bellman, Head of Global Real Estate Research von Invesco, dem global tätigen Investmentmanager. Doch von einer mancherorts erwarteten «Retail-Apokalypse», wie er an der Zürcher Präsentation des halbjährlichen Marktausblicks sagte, könne nicht die Rede sein: «Es gibt eine Reihe von Top-Standorten, an denen sehen wir für die kommenden Jahre Potenzial für Mietpreiswachstum. Vor allem in Highstreet-Lagen.» Er nennt hier beispielsweise die europäischen Städte Lissabon, London, Prag und Paris, denen vom Invesco-Research-Team durchaus Steigerungsraten von 1,5 bis 2 Prozent in den kommenden drei Jahren zugetraut werden.
Gute Aussichten für Berlin
Beim Blick auf die europäischen Büroimmobilienmärkte hätte jedoch bis Ende 2021 die deutsche Hauptstadt Berlin klar die Nase vorn. Hier erwartet Bellman ein jährliches Mietpreisplus von fast 3 Prozent. Niedrigere Büropreise werde man dann wohl erst wieder 2022 und 2023 sehen. Doch auch dem scheinbar vom Brexit so geplagten London, und dort vor allem dem Westend, attestiert Bellman rosigere Zeiten: 1,5 Prozent Plus pro Jahr bis Ende 2021 und in den darauffolgenden beiden Jahren sogar plus 4,5 Prozent. «Die Erklärung ist eigentlich recht einfach: Wir rechnen dort mit stärkerem Mietpreiswachstum am Ende unserer Fünf-Jahres-Prognose, weil sich dann die aktuelle Periode der Unsicherheit verflüchtigt haben wird und weiter Nachfrageüberhang besteht.»
Generell führe die Aussicht auf längerfristig niedrige Zinsen zu einem anhaltenden Interesse der Anleger an Objekten, die regelmässige Erträge abwerfen, so Bellman weiter, weltweit. Mit der Fortführung der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken verlängere sich das Zeitfenster, in dem sich Value-Add- und Manage-to-Core-Strategien auszahlen können. Weitgehend stabile Spitzenrenditen erwartet er dort, wo die Nachfrage das begrenzte Angebot weiterhin übersteigt.
Weitere Investmentchancen sieht der Invesco-Chefresearcher in Nischensegmenten, die sich nicht wie etablierte Asset-Klassen in herkömmlichen Zyklen bewegen. Hierzu zählt Bellman Gesundheitsimmobilien, Senioren- und Studentenwohnen, aber auch Last-Mile-Logistikflächen oder Self-Storage-Konzepte. Logistikimmobilien profitierten von der Verschiebung hin zum E-Commerce sowie von der andauernden Umstrukturierung der Lieferketten, so die Einschätzung von Invesco. Distributionszentren verzeichneten immer noch ein im historischen Vergleich überdurchschnittliches Mietwachstum. So seien die Tschechische Republik und Polen in Europa weiterhin attraktiv, genauso wie sogenannte «Urban-Logistics-Einheiten» in etablierteren westeuropäischen Märkten.
Das Anlegerinteresse an diesen speziellen Marktsegmenten habe 2018 noch einmal zugelegt und fokussiere auch auf Studentenunterkünfte und Micro-Living-Objekte. Gemein ist ihnen, dass sie von langfristigen strukturellen Trends profitieren. Dabei werden Entwicklungsprojekte an etablierten Universitätsstandorten bevorzugt.
Steigender Wohlstand in Asien
Während solide Fundamentaldaten die Weltwirtschaft auszeichneten, trumpfe vor allem der asiatisch-pazifische Raum mit guten Kennziffern auf. «Dort erwarten wir ein jährliches Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent per annum. Das ist doppelt so viel wie etwa in Europa oder in den Vereinigten Staaten von Amerika.» Der Wohlstand in der Region wachse. Seit dem Jahr 2000 stiegen die Einkommen pro Kopf um 40 Prozent. Auf den US-Immobilienmärkten hingegen macht er Late-Cycle-Eigenschaften aus: hohe Preisniveaus und ein vielerorts verlangsamtes Preiswachstum in allen klassischen Asset-Klassen.
- Timothy E. Bellman ist seit 2012 Managing Director und Head of Global Real Estate Research bei Invesco in der Niederlassung in Dallas/Texas (USA). Er zeichnet für die globale Vermögensallokation und die Koordination der Research-Teams in den drei Regionen Nordamerika, Europa und Asien-Pazifik verantwortlich.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Schweizer Fachmagazin IMMOBILIEN BUSINESS (Ausgabe Juli/August 2019).