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ZIA-Dialog Schweiz: «Deutschland bietet Investitionschancen»

DOMBLICK-Beitrag ZIA-Dialog Schweiz Rückblick April 30 2024 VÖD 06052024

Die Immobilien-Krise in Deutschland bietet durchaus auch interessante Chancen für Schweizer Investorinnen, Investoren und Unternehmen. Dies war das optimistische Résumé am jüngsten ZIA-Dialog Ende April in Zürich im Zunfthaus zur Haue am Limmatquai.

Nach der Begrüssung durch Matthias Klein, den Sprecher des ZIA-Länderbüros Schweiz, gab zunächst ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan einen kurzen Einführung in das «Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen 2024» in Deutschland. Mit diesem Markteinblick bzw. Marktausblick beauftragt der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA) jedes Jahr den sog. «Rat der Immobilienweisen». Dieser besteht aktuell aus Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld (Walter Eucken Institut), Michael Gerling (EHI Retail Institute), Sven Carstensen (bulwiengesa), Prof. Dr. Harald Simons (empirica) und Carolin Wandzik (GOS).

Diese schrieben in ihrem jüngsten Gutachten: «Die Bauwirtschaft in Deutschland ist seit 2022 durch Lieferengpässe, gestiegene Baupreise, den anhaltenden Fachkräftemangel, die Inflation und hohe Zinssätze erheblich belastet.» Zusätzlich sei die Nachfrage gesunken und habe zu einem «alarmierenden Einbruch der Auftragseingänge im Bereich des Wohnungsbaus» geführt. Bauvorhaben seien nicht mehr rentabel, die Fertigstellungszahlen würden sinken. Das Geschäftsklima im Wohnungsbau liege «auf dem historischen Tiefstand seit Beginn der Erhebung 1991», so die Immobilienweisen weiter.

Zahl der Insolvenzen steigt…

Die andauernde Immobilien-Krise in Deutschland wird untermauert durch die Insolvenzzahlen der vergangenen beiden Jahre: 2022 gingen 321 Bauträger und Entwicklerfirmen in Deutschland in den Konkurs. Im Jahr 2023 stieg diese Zahl auf 578 – eine Steigerung von rund 80 Prozent, wie das Beraterhaus Falkensteg feststellte. Im ersten Quartal 2024 ging diese Pleitewelle auf hohem Niveau weiter – und sie komme zunehmend auch in anderen Sparten der Immobilienbranche an, so Marktbeobachter.

Markus Burkhard, Mitgründer der Advisory Boutique Strotbek & Co. bestätigte: «Seit Herbst 2023 sind wir vermehrt von deutschen Kreditgebern gefragt, in denen es um die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen geht. Restrukturierungsmandate machen heute ein Grossteil aller Mandate aus, auch die Vorbeugung von Problemsituationen ist ein grosses Thema.»

Im Rahmen der anschliessenden Panel-Diskussion des ZIA-Dialog Schweiz sagte Burkhard, dass die Krisensituation im grossen Nachbarland durchaus auch Chancen biete. «Hier gibt es sicherlich mehrere Ebenen zu evaluieren, welche die Marktsituation beeinflussen. Insbesondere die Zinsentscheidungen der EZB sind an dieser Stelle von Bedeutung. Steigende Zinsen und sinkende Immobilienwerte sind natürlich eine fatale Kombination – und die Ursache der meisten Probleme, die sich dramatisch entwickeln.»

Es gebe gar Befürchtungen und Stimmen, es könnte die Hälfte der 9.000 Entwickler in Deutschland in die Insolvenz gehen, so Burkhard. Sein eindrücklicher Vergleich: «Während in der Finanzkrise 2006 bis 2009 die Werte um etwa drei bis vier Jahresmieten fielen, verzeichnen wir heute Wertverluste von zehn und mehr Jahresmieten.»

…Immobilienwerte sinken

Panel-Mitdiskutant Prof. Dr. Michael Trübestein, Präsident RICS Schweiz und Dozent an der Hochschule Luzern, wies darauf hin, dass veränderte geopolitische Rahmenbedingungen, wie u.a. etwa der Krieg in der Ukraine, in Europa zu einem Anstieg der Inflation auf über zehn Prozent geführt hätten und zu stark steigenden Baukosten.

«Das Inflationsziel der EZB liegt bei zwei Prozent», so Trübestein weiter. «Daher folgte in kurzer Zeit ein Anstieg der Leitzinsen auf 4,5 Prozent. Eine – im Vergleich zur Schweiz – tendenziell höhere Fremdfinanzierungquote resultierte in zahlreichen Herausforderungen. So bspw. bei Projektentwicklern oder der Refinanzierung von Immobilien-Bestandshaltern.» In der Folge hätte sich eine starke Reduktion bei den Bauaufträgen gezeigt. «Gleichzeitig steigen die Diskontierungszinssätze, was wiederum heisst: Immobilienwerte sinken», erklärte Trübestein.

Der deutsche Immobilienmarkt sei aktuell durch starke Wertkorrekturen geprägt – diese böten zahlreiche Opportunitäten, sagte Burkhard. Vielversprechende Chancen bestünden etwa darin, in Immobilienunternehmen, Projektentwicklungen oder Immobilien zu investieren. «Wie beispielsweise jene, die unterbewertet sind und langfristiges Wachstumspotenzial bieten bzw. in einem attraktiven Markt liegen. Oder die, welche vor allem Schwierigkeiten bei der Finanzierung bzw. Refinanzierung haben.» Viele Projektentwickler stünden vor bewilligten und zum Teil schon bebauten Grundstücken. Es fehle ihnen jedoch die Finanzierung, die Gebäude fertigzustellen.

Plädoyer für grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Zoltan Szelyes, CEO der Macro Real Estate AG und Head Real Estate Indirect der Dicoval AG und dritter Panel-Teilnehmer des ZIA-Dialog Schweiz, erläuterte: «Der Zeitpunkt ist jetzt auch aus Schweizer Sicht gekommen, Anlagen in Deutschland anzuschauen. Die Wahl ist zwischen immer noch deutlich überbewerteten Schweizer Anlagen oder Opportunitäten in Bestandesimmobilien Europa, wo wir Wertkorrekturen zwischen 25 und 40 Prozent gesehen haben. Und dies mit deutlich stärkeren Mietsteigerungsperspektiven als in der Schweiz.»

Beim Blick von Investorinnen und Investoren gelte es für Schweizer Akteure – neben dem Blick auf die Zinslage im Euro-Raum – auch die währungsbedingten Hedging-Kosten zu beachten, so die Expertenrunde. Der Schweizer Franken hatte viele Jahre durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine fixierte Untergrenze von 1,20 (für 1 Euro). Nach der Aufgabe dieses Zieles fiel der Kurs zum Franken in der Zwischenzeit auf unter Parität. Teils war die Schweizer Währung bereits so stark, dass 93 Rappen für den Wechsel in 1 Euro ausreichten.

«Zwei Länder, zwei ähnliche Märkte, zwei Situationen?», fragte Özkan am Ende des jüngsten ZIA-Dialog Schweiz. Und sie warnte zugleich: «Märkte isoliert zu betrachten, das ist ein Fehler. Das Schauen über den Tellerrand ist unverzichtbarer Bestandteil nachhaltiger Unternehmensführung und Interessenvertretung. Wir sind daher überzeugt, mit den regelmässigen Events in Zürich einen substanziellen Beitrag leisten zu können, von dem die Immobilienwirtschaft auf beiden Seiten der Grenze profitiert.»

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