DOMBLICK-Chefredakteur Mathias Rinka sprach im Rahmen der Immobilieninvestmentmesse Expo Real in München mit Lukas Jeckel, Head of Central Northern Europe bei Generali Real Estate, über aktuelle Marktstimmungen, -prognosen und -strategien.
DOMBLICK: Herr Jeckel, Sie sind bei Generali Real Estate verantwortlich für das operative Immobiliengeschäft in der DACH-Region. Von wieviel Immobilienvermögen reden wir hier?
Lukas Jeckel: Es handelt sich bei den drei Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz um drei Märkte, in denen wir jeweils einen unterschiedlichen Fokus haben. Im deutschen Immobilienmarkt verfügen wir aktuell über ein Portfolio im Gesamtwert von rund 4,5 Milliarden Euro. Die Investments hier sind in der Mehrheit Bürogebäude. Die Allokation umfasst fünf der Top-7-Städte und wir legen generell Wert auf zentrale Lagen und gute Erreichbarkeit.
In Österreich haben wir etwa zweieinhalb Milliarden Euro Assets under Management. Das ist dort fast schon ein historischer Bestand, möchte ich sagen, und Vieles davon befindet sich in der Wiener Innenstadt, sowohl Büro als auch Wohnnutzung, und vor allem im ersten Bezirk.
In der Schweiz liegt unser Fokus klar auf Wohnimmobilien. Das gesamte Immobilienvermögen dort umfasst aktuell circa 1,6 bis 1,7 Milliarden Schweizer Franken. Hier werden ausschliesslich unsere Versicherungsgelder aus der Schweiz investiert. Alles in allem verantworte ich somit knapp neun Milliarden Euro in der DACH-Region.
DOMBLICK: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation am Immobilienmarkt ein? Gerade bei den Projektentwicklungen in Deutschland ist ja gerade eher Sand im Getriebe als Beton auf den Baustellen?
Lukas Jeckel: Ja, das ist ein gutes Bild. Was die Volatilität im Marktgeschehen betrifft, ist ganz sicher der deutsche Markt jener mit dem grössten Änderungsgefühl. Doch die vergangenen Jahre haben hier auch grösstes Wachstum, sowohl bei den Mieten als auch bei den Verkehrswerten, gezeigt. Österreich und die Schweiz haben sich dagegen krisenresilienter gezeigt – und hier meine ich vor allem auch unser Portfolio vor Ort. Die Preisstabilität in den beiden Nachbarländern ist recht gut. Alles in allem haben wir in der DACH-Region in den vergangenen Jahren recht viel investiert. 2021 und 2022 waren dies jeweils rund zwei Milliarden Euro. Ob das 2023 auch noch so sein wird, muss sich zeigen…
DOMBLICK: Wie behandeln Sie das Thema ESG in Ihrem täglichen Geschäft mit Immobilien?
Lukas Jeckel: ESG ist vor allem eine Herausforderung für den Altbestand. Was wir hier brauchen, sind einheitliche Grundsätze, die in der und für die Branche erarbeitet werden müssen. Man kann auch historische Gebäude in die CO2-Neutralität führen. Es gibt hier kein eigenes Generali-Hausrezept, aber man kann sich orientieren. Dazu zählt etwa, dass wir unser komplettes Europa-Portfolio gerade mit dem Beratungsunternehmen Aecom analysieren. Unser Ziel ist die Taxonomiefähigkeit des gesamten Portfolios. Die Ergebnisse aus diesem Immobilien-Scan kann beispielsweise auch dazu führen, dass wir zur Not eine Immobilie einem Komplett-Refurbishment unterziehen. Ich sehe es als unsere zentrale Aufgabe an, sogenannte «Stranded Assets» zu vermeiden.
DOMBLICK: Bleiben wir kurz noch bei dem «E» von ESG: Wie sieht der aktuelle Energiemix bei den Generali-Immobilien aus?
Lukas Jeckel: Wir decken die Energiequellen in einer diversifizierten Form ab und machen dies über den Energiehandel. Wir kaufen für den eigenen Bestand «grüne Energie» ein. So kommen wir auf 100 Prozent grünen Strom aus Wind-, Sonnen- und Wasserenergie für unsere Allgemeinstromversorgung unserer Immobilien. Und ja, um ihre nächste Frage vorwegzunehmen, noch ist Atomstrom im Mix enthalten. Wir setzen uns hier auch stark für sogenannte «green leases» ein, also grüne Verträge mit den Mietern, die eine Selbstverpflichtung unsererseits zu grünen Energiequellen und auch die genaue Offenlegung der Energieverbräuche durch die Mieter beinhalten.
DOMBLICK: Die Niedrigzinsphase, welche fast eine Dekade andauerte, ist vorbei. Wohin steuert Ihrer Meinung nach der Markt für Immobilien?
Lukas Jeckel: Meines Erachtens werden die Mieten weiter deutlich steigen und dies vor allem in den Grossstädten und dort vorrangig in den Innenstadtlagen. Die bereits gestiegenen Mieten können das höhere Zinsniveau kompensieren. Jedoch warne ich hier vor der Missinterpretation, dass höhere Zinsen per se höhere Mieten bedeuten. Bei Wohnen wie auch bei den Büros kommt es auf die Lage und die Qualität an. In den Innenstädten ist man eher bereit mehr zu zahlen. Bei den Büroimmobilien sehe ich zudem grössere Veränderungen. Das Büro der Zukunft muss eine ganz andere Qualität haben als das bisherige. Es muss ein Ort der Kreativität sein und zugleich auch repräsentativen Charakter haben. Oder um es mit den Worten von Raphael Gielgen (Information der Redaktion: er ist Head of Research & Trendscouting bei Vitra) zu sagen: «Das Büro ist Raum für Rituale. Und ein Raum ist die Körpersprache des Unternehmens.»
DOMBLICK: Kommen wir noch einmal zurück auf den eingangs erwähnten Projektentwicklungsmarkt und die vielen gestoppten Bauvorhaben. Ergeben sich hieraus Chancen für Generali Real Estate?
Lukas Jeckel: Um eines hier deutlich zu machen: Wir sind keine Aasgeier. Aber sicher sind auch hier einige Akteure im Markt opportunistisch unterwegs. Was für uns klar ist: Wir können nicht den Projektentwickler zu 100 Prozent ersetzen. Wir sind klassischer Asset Manager und wir sind auch Refurbisher, aber kein Projektentwickler. Was wir uns aber vorstellen können, dass wir zusammen mit einem Partner dies machen und dann ab der Vermietungsphase mit an Bord sind. Aber es muss auch das Projektvolumen und die Lage stimmen. Nehmen Sie etwa jetzt das Gerchgroup-Projekt am Dom in Köln (Information der Redaktion: gemeint ist das Laurenz Carré). Das wäre für uns definitiv eine Nummer zu gross.
Ganz allgemein zur aktuellen Lage in Deutschland möchte ich noch Folgendes sagen: Die deutsche Mentalität sieht sehr gern das halbe Glas leer und das Suhlen in der Krise ist einigen nicht unbekannt. Ich denke, es ist unsere Aufgabe als Investoren, dies nicht zu fördern. Wir sind eine starke Volkswirtschaft, wir kommen da durch. 2024 wird vielleicht noch Winter sein, aber danach kommen sicher auch wieder Frühling und Sommer. Wie hiess es hier schon auf der Expo Real? «Survive ‘til 2025» – das ist ein gutes Motto.
Zur Person:
Lukas Jeckel ist seit August 2019 Leiter der Region Central Northern Europe bei Generali Real Estate und arbeitet am Unternehmenssitz in Köln. Diese Region umfasst die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz, die sogenannte DACH-Region. Lukas Jeckel leitet zudem als Head of Asset Management & Letting das operative Immobiliengeschäft. Er begann seine Karriere 1998 und war seitdem für Versicherungen, Banken und Bauunternehmen tätig, u.a. für die Bilfinger Berger Projektentwicklung, Deka Immobilien, Axa Investment Managers und HDI (ehemals Gerling). Lukas Jeckel ist seit 2010 bei Generali Real Estate tätig und verfügt über einen Studienabschluss in Raumplanung an der Universität in Dortmund.