Barings Real Estate geht nach einer Phase starker Investorennachfrage davon aus, dass sich die Immobilieninvestitionen in den kommenden Quartalen abschwächen werden, da die schwächere Stimmung, das sich verlangsamende Wirtschaftswachstum und die steigenden Kosten der Verschuldung das Transaktionsvolumen bremsen, sagt Joanne Warren, Director Real Estate Research, im Interview mit DOMBLICK.
Frau Warren, wie wirkt sich die aktuelle Situation auf den Wohnimmobilienmarkt aus?
Wohnimmobilien werden nicht immun sein, aber wir konzentrieren uns weiterhin auf Standorte, an denen Wohneigentum am wenigsten erschwinglich ist und an denen die Mietnachfrage mittel- bis langfristig am stärksten sein wird.
Wie haben sich die Preise europaweit betrachtet dieses Jahr entwickelt?
Die europäischen Hauspreise sind im ersten Quartal 2022 um rund 10 % pro Jahr gestiegen. Die Niederlande führen die größeren europäischen Länder mit einem Preisanstieg von fast 20 % pro Jahr an, während Italien ein bescheideneres Wachstum mit 3 bis 4 % pro Jahr verzeichnete. Barings Real Estate Research geht davon aus, dass sich die Marktdynamik in den kommenden Quartalen verlangsamen wird, was auf die Kombination aus höheren Zinssätzen und schwachem Verbrauchervertrauen zurückzuführen ist.
Erwarten Sie eine deutlichere Preiskorrektur?
Steigende Zinsen bedeuten zwar, dass die Immobilienpreise nachgeben werden. Aber das Ausmaß wird davon abhängen, wie hoch die Zinsen steigen und wie stabil der Arbeitsmarkt ist. Und wo die Arbeitslosigkeit am stärksten steigt oder vielleicht auch gar nicht steigt. Das kann von Land zu Land und sogar von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Preise weiterhin hoch und für viele Erstkäufer unerschwinglich bleiben werden, was sich positiv auf die anhaltende Mietnachfrage auswirken wird.
Wie wirken sich die steigenden Zinsen im Detail aus?
Steigende Zinsen werden sich negativ auf die Erschwinglichkeit von Käufern auswirken. Aber der Übergang von variablen zu festen Zinssätzen bedeutet, dass die Auswirkungen nur allmählich auf die Wohnungsmärkte durchschlagen werden. In dieser Hinsicht bleiben die Risiken für den Wohnungsmarkt relativ gering. Dies spiegelt einfach die umsichtigeren Praktiken bei der Vergabe von Hypothekarkrediten nach der globalen Finanzkrise wider.
Werden wir also noch mehr «built to rent» sehen?
Das Investitionsinteresse an europäischen Wohnimmobilien ist stark angestiegen, wobei sich das Transaktionsvolumen in den vergangenen zehn Jahren auf fast 30 % des gesamten Transaktionsvolumens verdreifacht hat. Da Wohneigentum für die Mehrheit der Menschen unerreichbar ist, selbst wenn die Preise fallen sollten, untermauert die anhaltende und steigende Nachfrage nach Mietwohnungen ein überzeugendes Investitionsargument für privaten Mietwohnraum an den richtigen Standorten.
Welchen Einfluss haben heute Nachhaltigkeitsaspekte auf den Wohnimmobilienmarkt?
Es geht nicht nur um den Umweltschutz, sondern um den gesamten Trend zu ESG. Das Potenzial für strengere Vorschriften stellt in mehrfacher Hinsicht ein zunehmendes politisches Risiko für den Sektor dar. Nehmen wir zum Beispiel das S für Soziales. Während Mietkontrollen das künftige Mietwachstumspotenzial einschränken würden, verringert eine erhöhte Sicherheit der Besitzverhältnisse die Fluktuation. Das erhöht gleichzeitig die Sicherheit und die Dauer der Mieteinnahmen. Und beim E für Environmental sehen wir: Der zunehmende Druck, den Wohnungsbestand durch ein strengeres ESG-Regelungsumfeld zu verbessern, wird wahrscheinlich zusätzliche Investitionsmöglichkeiten bieten.