Im ersten Teil dieses Artikels äusserten sich Stefan Brüesch von IAZI sowie Martin Isler und Marc Seiler von der Bank J.Safra Sarasin über den Vernehmlassungsprozess und die Ausgestaltung der angepeilten neuen Fondsanlageklasse der Limited Qualified Investor Funds, kurz: L-QIF. Heute kommen weitere Marktakteure zu diesem Thema zu Wort.
«Wir trauen den L-QIF grundsätzlich zu, dass sie ihren besonderen Platz im Schweizer Fondsuniversum finden werden», sagt Christoph Syz (oben rechts im Bild), CEO des Immobilien-und Asset-Management-Unternehmens Patrimonium. «Es ist aber bedauerlich, dass in der Schweiz voraussichtlich erst 2022 L-QIF aufgelegt werden können, denn in Luxemburg steht mit dem RAIF schon seit 2016 die Hauptkonkurrenz bereit. Dieser scheint mir praktisch die Blaupause für die Schweizer L-QIF zu sein.» Der Asset-Management-Standort Schweiz habe hier sicherlich ein gewisses Geschäftsvolumen bereits verloren, was vermutlich auch nicht komplett wieder repatriiert werden könne, so Syz.
«Produkt für höheren Rendite-Risiko-Appetit»
Den Ansatz, dass dank der Beschränkung auf qualifizierte Investoren im Gegenzug wieder mehr Freiheitsgrade gewährt werden, begrüsse er sehr, sagt der Patrimonium-CEO. Angesichts des anhaltenden Tief- und Negativzinsumfeldes sei es heute nicht immer nachvollziehbar, wenn man noch starre Verschuldungsgrenzen vorgibt. «Aber auch die Erleichterungen bei den Diversifikationsvorschriften sehen wir als ein positives Element bei den L-QIF, weil so auch spannendere Investments mit einer kollektiven Kapitalanlage erfolgen könnten», führt Syz weiter aus. Er erwartet, dass man so bestimmte qualifizierte Investoren in Form einer kollektiven Kapitalanlage ansprechen kann, die opportunistisch vom klassischen Pfad abweichen wollen oder schlichtweg einen höheren Rendite-Risiko-Appetit bzw. -Druck haben.
«Wir werden dabei natürlich auch gezielt verfolgen, wie sich die L-QIF im Wettbewerb zu den anderen Formen behaupten.» Dass mit den geplanten L-QIF die Zeitspanne für die Produktbewilligung durch die Finanzaufsicht, und davor noch durch den Bewilligungsprüfer, entfalle, sei positiv zu vermerken, so Syz. «Aber dafür ist die Prüfung aufseiten der Fondsleitung respektive des AIFM deutlich umfassender, komplexer und aufwändiger geworden. Hier könnte die Schweiz aus den Erfahrungen in Luxemburg lernen und Vorteil aus ihrer Nachzüglerrolle ziehen. Wenn es also schon
ein Swiss Finish braucht, dann könnte man doch hier mal punkten.»
Nachdenklich stimmt Syz, dass aus heutiger Sicht den L-QIF noch ein steuerlich attraktiver Rahmen fehle. Als weitere Herausforderung sieht er einen allfälligen Vertrieb in der EU mit der weiterhin ungeklärten Frage, warum der Schweiz mit faktischem AIFM-Niveau immer noch der Drittstaatenstatus verwehrt wird. «Das ist zwar weniger eine spezielle Frage im Zusammenhang mit den L-QIF, sondern eher eine generelle Frage an den Finanzplatz. Aber solange hier kein politischer Konsens gefunden wird, werden nach unserer Einschätzung die L-QIF nur «auf bescheidenes
Interesse ausserhalb der Schweiz stossen», so Syz’ Prognose.
Auf der Zielgeraden
Auch für Fabian Godbersen (oben links im Bild), CEO und CIO der zur Reech Corporation Group zählenden Stone Estate Swiss AG, ist die Änderung des Kollektivanlagengesetzes in der Schweiz ein Schritt nach vorn: «Die Schweiz ist zwar ein sicherer Markt und ein starker Finanzplatz, hinkt aber hinter anderen Jurisdiktionen, zum Beispiel Luxemburg, hinterher, wenn es um die Domizilierung von grossen beziehungsweise globalen Investmentfonds geht. Daher begrüssen wir die Einführung von L-QIF, die zwar grundsätzlich nicht neu sind, aber die Schweiz näher an die Regulierungen und Möglichkeiten in grösseren EU-Ländern heranführen werden.» Godbersen erwartet insbesondere im Immobiliensegment, dass L-QIF ausländischen Anlegern, welche gegenüber inländischen Anlegern im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nach wie vor unterrepräsentiert seien, einen verbesserten Produktzugang bieten.
Doch vor der Einführung der L-QIF stehen 2021 noch die politische Beratung und die Debatten in den eidgenössischen Räten an. «Im Gegensatz etwa zur Revision des Bauvertragsrechts haben wir es bei der geplanten Änderung des Kollektivanlagengesetzes mit einem recht zügigen politischen Prozess zu tun», erläutert Politikbeobachter Stefan Brüesch von IAZI. «Sollte im kommenden Jahr kein grösserer Widerstand gegen den Gesetzestext aufkommen, dürften die L-QIF 2022 oder spätestens 2023 Wirklichkeit werden.»
- Der komplette Artikel erschien erstmals im Schweizer B2B-Fachmagazin IMMOBILIEN BUSINESS (Ausgabe 12/2020).