Flexible Arbeitswelten sind scheinbar das Gebot der Stunde. Einerseits für Arbeitnehmer, die die Langeweile althergebrachter Büros meiden, andererseits für Arbeitgeber, die die Produktivität steigern und die Mietkosten senken wollen.
«Mutiert die Büroimmobilie zum Betreibermodell?», fragte Moderator Markus Schmidiger von der Hochschule Luzern/IFZ zu Beginn des 73. Schweizer Immobiliengesprächs im Zürcher Restaurant Metropol. Vor rund 120 interessierten Gästen referierten am 24. September 2018 Florian Kuprecht von CBRE Schweiz, Garry Gürtler von der IWG International Work Group sowie Giorgio Engeli von Swiss Life Asset Managers über die möglichen weiteren Folgen des Coworking-Trends.
Kleinteiligere Konzepte gefragt
Schmidiger spitzte gleich zu Beginn der Veranstaltung die Materie mit zwei Fragen weiter zu: «Schaffen die Firmen ihre Büros ab?» und «Haben wir es mit einer flexiblen Revolution zu tun?» Kuprecht vertrat die Meinung, dass aufgrund gewisser Zeichen und Zahlen sich durchaus eine Revolution andeute oder zumindest ein Paradigmenwechsel auf dem Büroflächenmarkt. Zunächst würden vor allem wirtschaftliche Gründe hierfür sprechen. Er nannte die Zahl von 40.000 Firmengründungen in der Schweiz im letzten Jahr, die es zusammen auf gerade einmal 50.000 Mitarbeitende bringen. Viele Start-ups und Kleinunternehmen sind hierunter und fordern auf dem Büromarkt neue Konzepte ein. Damit einher gingen Verhaltensänderungen in den Einstellungen der Arbeitnehmer, was Arbeitsplätze, Pendelzeiten und Netzwerken angehe. Zudem werde verstärkt in Projektgruppen gearbeitet, die ein entsprechend innovatives und kreatives Ambiente benötigten. «Die Vernetzung in der Arbeitswelt wird digital wie real immer wichtiger», fasste es Kuprecht zusammen und nannte damit ein wichtiges Argument für Coworking Spaces, die es seit ein paar Jahren auch in der Schweiz gibt.
Derzeit verfügt die Eidgenossenschaft über mehr als 200 Coworking-Standorte. Zuletzt lag die Wachstumsrate in diesem Segment bei etwa 15 bis 17 Prozent. Nach Schätzungen von CBRE betrifft dies somit erst weniger als einen Prozent Anteil am hiesigen Büroflächenmarkt. Doch bereits im Umkreis des Zürcher Hauptbahnhofs finde man, je nach Radius, eine Absorptionsquote durch Anbieter von flexiblen Flächen von fünf bis zu zehn Prozent, so Kuprecht. Neue Büroprojekte wie das Ambassador House in Zürich-Opfikon, der Grosspetertower in Basel oder The Circle am Flughafen Zürich planten schon Coworking Spaces von vornherein mit ein. Der Blick ins Ausland zeige, wohin die Marschrichtung geht: Spitzenreiter London verfügt über 1.136 Coworking-Standorte, gefolgt von New York mit 330, San Francisco (180), Paris (156) und Berlin (123). Die stärksten Wachstumsraten wiesen im letzten Jahr New York (+24%) und Berlin (+21%) auf.
Gut für die Bilanz
Für Garry Gürtler, Schweizer Repräsentant vom internationalen Businesscenter-Betreiber IWG, ist klar, dass die Digitalisierung den grossen Treiber des Coworking-Trends darstellt. «Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Gewohnheiten der Arbeitnehmer als auch auf das Flächenmanagement der Arbeitgeber.» Mit der Einführung von 5G als Standard für künftige Internetverbindungen werde sich dieser Wandel noch beschleunigen, glaubt Gürtler. Im Jahr 2025 würden bereits 31 Prozent aller Verbindungen über den neuen und schnelleren Zugang ins World Wide Web verfügen. Doch gebe es auch rein strategische und auch finanzielle Gründe für Grosskonzerne (Corporates) den Coworking-Weg zu beschreiten: «Gross Firmen brauchen grössere Flexibilität, um schnell grosse geografische Räume in verschiedenen Ländern abdecken zu können», ist er überzeugt und hierzu eigneten sich Coworking Spaces ideal.
Ein weiterer Aspekt ergibt sich laut Gürtler für Unternehmen auch in steuerlicher Hinsicht: Die Nutzung von flexiblen Büroräumen bei den Mitarbeitenden wirke sich beispielsweise beim neuen Leasingstandard IFRS 16 bei der Bilanzierung positiv aus. Wichtig sei es, Corporate-Kunden «Hand-pick-Lösungen» bei der Büroflächenwahl anbieten zu können. Daher habe IWG, die seit 25 Jahren mit ihrer Businesscentermarke Regus in der Schweiz aktiv ist, ihren Brand in den vergangenen Jahren diversifiziert und biete nun mit den Konzepten Spaces, No.18, OpenOffice, Signature und Basepoint Coworking-Welten für die unterschiedlichen Bedürfnisse an – vom jungen Start-up-Unternehmer bis hin zu einer gehobenen und älteren Geschäftsklientel.
Swiss Life setzt auf den Trend
Giorgio Engeli von Swiss Life Asset Managers zeigte schliesslich den Gästen des jüngsten Schweizer Immobiliengesprächs einige Praxisbeispiele für Coworking-Konzepte. Der Versicherungskonzern sieht die Vermarktungschancen von flexiblem Büroraum auch bei sich und hat derzeit mehrere Projekte in Planung. So wird noch im Dezember 2018 in Zürich-Enge am Tessinerplatz 7 in Kooperation mit dem Partner Village Office ein Coworking Space eröffnet, welches Engeli als «klein, aber fein» bezeichnete. Hier ziele man bei der Kundschaft nicht auf Grossunternehmen, die ihre Mitarbeitenden samt Büroraum outsourcen wollten, sondern mehr auf den Community-Gedanken, der «Coworker» aus den Bereichen Versicherung und Digitales zusammenführe. In Zusammenarbeit mit OfficeLab peile man die Eröffnung eines Standorts in Baden an und mit Blandonnet-BIRD in Genf-Vernier nahe dem dortigen Flughafen auch ein «modulares Coworking-Konzept» in der Westschweiz. In dieser Liegenschaft waren vor Kurzem gut 12.000 Quadratmeter Bürofläche durch den Auszug eines Grossmieters mit knapp 600 Mitarbeitenden wieder frei geworden.
An der Zürcher Bahnhofstrasse richtet Swiss Life hingegen zusammen mit der Firma WeSpace eine Coworking-Büroetage eigens für Frauen ein. Diese befindet sich am ehemaligen Standort vom Spielwarenhaus Franz-Carl-Weber und wird noch in diesem Herbst (28. September 2018) eröffnet. Mit «The One Zurich» folgt darüber hinaus an der Seefeldstrasse am Bahnhof Tiefenbrunnen schon bald auch an einer laut Engeli «Prime Location» ein weiteres Projekt mit flexiblen Büroraumnutzungen. Dieses werde «exklusives Coworking» umfassen und vom Versicherer direkt gemanagt. Ein gesamtes grosses Swiss Life-Objekt, welches Engel in Zukunft auch als sehr geeignet für ein Coworking-Konzept für Corporates ansieht, ist das «TicTricTrac» in der Zürcher Binz. Dort stehen gut 15.000 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung, die zunächst übergangsweise vom internationalen Beratungsunternehmen KPMG für zwei Jahre genutzt werden, während dessen Schweizer Hauptsitz an der Kalkbreite umfassend renoviert und saniert wird. Ab dem Jahr 2021 soll dann auch diese Liegenschaft zur Coworking-Welt der Swiss Life zählen. «Wir halten das für möglich, dass das da geht», zeigte sich Engeli beim Schweizer Immobiliengespräch überzeugt.