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«Heiterefaane¹…»

DOMBLICK - Kolumne Digitales Bauen - Prof Dr Adrian Wildenauer - BFH Berner Fachhochschule - Kolumne 5 - VÖD 03092024

Willkommen in der kleinen, imaginären Planungs- und Baufirma von Beate Bütikofer und Hermann Hugentobler, irgendwo in der Schweiz. Ausgezeichnet aufgezeichnet von Adrian Wildenauer, Professor für Digitales Bauen an der BFH Berner Fachhochschule. Heute Folge 5 dieser Gast-Kolumne.

Beate bezeichnet sich selbst als «digital open native» und das ist sie mit unbändiger Leidenschaft. Immer die neuesten Gadgets dabei und flexibel im Arbeiten. Hermann bezeichnet sich selbst als «digital naiv» und hält nur bedingt etwas von neuen Technologien. Für ihn zählen sein (in farbigen Ordnern sorgfältig dokumentiertes) Fachwissen sowie sein grosses und regelmässig gepflegtes Netzwerk. In den nächsten Kolumnen begleiten wir die beiden ein bisschen. Sie werden auf Herausforderungen treffen, die der Autor aus eigener Erfahrung kennt. Ähnlichkeiten mit dem realen Leben sind durchaus beabsichtigt – sind wir ehrlich, jede:r von uns kennt zwei solche Kollegen.

Die digitale Baustelle – Ein Schritt in die richtige Richtung

Tag 21 nach der letzten Kolumne: Hermann ist trotz den erholsamen Sommerferien immer noch konsterniert über dieses vermeintliche, ja, wie nannte Beate es, dieses Einfachmachen, dieses Simplifizieren der Prozesse. «Heiterefaane¹! Wenn das alles so einfach ist, warum haben wir das nicht schon lange gemacht? Da gibt’s doch bestimmt mehr als einen Haken», denkt er sich. Hermann wurde jedoch jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Beate ihm voller Freude zurief: «Schön, bist wieder da! Wir haben uns schon Sorgen gemacht, wir brauchen Deine Expertise, Hermann!»

Im letzten Teammeeting vor den Ferien hatten sie die 105 Prozessschritte aufgezeichnet, die sie bis anhin brauchten, um eine Anfrage zu erledigen. Unterdessen hat Beate Bauleiter Benno ein neues Tool vorgeschlagen. Nachdem Benno die neue Software für eine Woche getestet hatte, konnte er sich kaum noch halten vor Begeisterung. «Hermann, das ist der Durchbruch!» rief er, als er eines Morgens ins Büro stürmte. Hermann legte zwar immer noch die Stirn in Falten, hörte aber aufmerksam zu. Er wollte versuchen, sich auf Bennos Vorschläge einzulassen, auch wenn ihn der Gedanke an eine weitere digitale Umstellung nach wie vor beunruhigte.

Benno klappte seinen etwas in die Jahre gekommenen Laptop auf. Die Software war eine einfache cloudbasierte Lösung aus der Schweiz, die es ermöglichte, den gesamten Bauprozess in Echtzeit zu überwachen. Jeder konnte sehen, wer was macht, wo Verzögerungen auftreten und wie das Budget gerade aussieht. «Das spart uns nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch – was dir ja besonders wichtig ist – Geld!»

Mitarbeitende sind Feuer und Flamme

Hermann konnte nicht leugnen, dass die Übersicht beeindruckend war. Er erinnerte sich an die vielen Situationen, in denen die Kommunikation zwischen Baustelle und Büro zu Missverständnissen und gröberen Schnitzern geführt hatte. «Heiterefaane¹! Das sieht wirklich ordentlich und nachvollziehbar aus», murmelte er und Benno nutzte die Gelegenheit, um weiter auszuholen. Er zeigte auf einen weiteren Bildschirm. «Diese App ermöglicht es den Arbeitern vor Ort, Probleme direkt zu melden und sogar Lösungsvorschläge zu machen. Es gibt keine Zettelwirtschaft mehr, keine verlorenen Nachrichten – alles ist sofort für jeden ersichtlich. Unterdessen haben alle auf der Baustelle die App installiert. Die ersten ein, zwei, drei Tage waren etwas erklärungsbedürftig, bei manchen war der Akku leer, solche Sachen halt – aber jetzt sind die Mitarbeitenden Feuer und Flamme.»

Hermann nickte langsam und kraulte beruhigend seinen Bart. «Gut, das klingt tatsächlich sinnvoll. Aber wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Und wer sorgt dafür, dass das alles auch wirklich reibungslos läuft?» Benno grinste. «Hermann, darf ich vorstellen, du sprichst gerade mit dem neuen Digitalbeauftragten der Baustelle!» Hermann lachte. «Also gut, Benno, ich gebe zu, du hast mich überzeugt. Lass es uns zu mindestens versuchen. Wo muss ich was installieren?»

Eine Woche später hatte sich auch Hermann intensiv mit der neuen Software beschäftigt. Zunächst kämpfte er damit, sich in die neuen Arbeitsabläufe einzufinden. Die gewohnte Routine, die er über Jahre hinweg aufgebaut hatte, musste plötzlich Platz für digitale Prozesse machen. Anstelle von Notizen auf Papier und langen Telefonaten mit der Baustelle, um Missverständnisse auszuräumen, sass er nun häufiger am Computer und klickte sich durch digitale Pläne und Checklisten.

Digitales Bauen – Nicht mehr Getriebener des Wandels

Etwas Erstaunliches passierte: Mit jedem Tag, an dem er die Software nutzte, wuchs in Hermann das Gefühl, mehr Kontrolle über die Baustellenabläufe zu haben. Die Echtzeit-Updates zeigten ihm sofort, wenn Probleme auftauchten, und die Möglichkeit, unmittelbar darauf zu reagieren, ersparte ihm viele schlaflose Nächte. Er konnte nun auf einer Baustelle ein Problem beheben, bevor es überhaupt zu einem grösseren wurde. Das war neu für ihn – und es gefiel ihm. Besonders beeindruckt war Hermann von der Transparenz, die die Software bot. Früher hatte er oft das Gefühl, den Überblick zu verlieren, wenn mehrere Projekte gleichzeitig liefen. Nun konnte er mit wenigen Klicks die aktuellen Fortschritte jeder Baustelle einsehen.

Er entdeckte, dass er nicht nur schneller Entscheidungen treffen konnte, sondern diese auch fundierter waren, weil ihm mehr wichtige und richtige Informationen zur Verfügung standen. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr wie ein Getriebener, der den digitalen Wandel zusätzlich zu den sämtlichen Problemen auf der Baustelle widerwillig mitmachen musste. Kunden, Lieferanten, Mitarbeitende, ab und zu ein wirkliches Chaos. Er begann zu erkennen, dass die neuen Technologien tatsächlich dazu beitrugen, seinen Arbeitsalltag jeden Tag ein kleines bisschen zu verbessern.

Ein Moment blieb ihm besonders im Gedächtnis: Ein Bauarbeiter vor Ort – noch dazu in seinem Alter – hatte über die App einen Verbesserungsvorschlag für einen bestimmten Arbeitsschritt eingereicht. Früher wäre so eine Idee vielleicht untergegangen oder verschlimmbessert worden, aber jetzt konnte Hermann direkt darauf eingehen. Er prüfte den Vorschlag, sah sich den Prozess an und merkte, dass Enno, der Eisenleger, recht hatte. Er sprach kurz mit Enno (etwas, was er seit vier Jahren nicht mehr gemacht hatte) und implementierte die Änderung – alles innerhalb weniger Stunden. Das Resultat zeigte ihm, dass auch er von dieser Technologie profitieren konnte, wenn er sich darauf einliess.

Digitales Bauen – Zurückgewinnen der Kontrolle

Im Laufe der Woche verwandelte sich Hermanns anfänglicher Widerstand in vorsichtige Begeisterung. Er war zwar noch weit davon entfernt, ein digitaler Enthusiast wie Beate und nun auch Benno zu werden, aber er konnte nicht leugnen, dass die Arbeit effizienter und weniger stressig wurde. Die Zusammenarbeit im Team verbesserte sich, weil alle jederzeit auf dem gleichen Stand waren. Und das Beste: Er konnte endlich die Kontrolle über seine Baustellen zurückgewinnen, ohne sich von der Technik überwältigt zu fühlen.

«Vielleicht habe ich mich ja geirrt», dachte Hermann bei sich. „Vielleicht ist das der richtige Weg, um die Baustellen der Zukunft zu meistern.» Benno sah seinen Kollegen an und lächelte. «Es freut mich, dass du es siehst, Hermann. Gemeinsam werden wir das hier rocken.» Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich Hermann wirklich optimistisch, was die Zukunft ihrer Projekte anging. Er erkannte, dass es nicht nur darum ging, mit der Zeit zu gehen, sondern auch darum, die Möglichkeiten, die der digitale Wandel bot, für sich zu nutzen – und das war ein Gedanke, mit dem er sich mehr und mehr anfreunden konnte. Mal sehen, wie es zum Phasenabschluss nächsten Monat aussieht.

  • ¹: «Heiterefaane» ist Berndeutsch und ein eher veralteter Ausruf des Erstaunens, so wie «ei der daus…»

In den nächsten Kolumnen Digitales Bauen werden die beiden generationenübergreifend grundlegende Themen eruieren und sich möglicherweise zusammenraufen. Um das beste Ergebnis für sich und die Firma zu erreichen, was das grosse Feld Digitales Bauen betrifft. (Die vorangegangene Kolumne, Folge 4, finden sie hier.)

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