Im DOMBLICK-Interview verraten die Real Estate- und Research-Experten Donald Hall (Global Head of Research), Louise Kavanagh (CIO & Head of Asia Pacific Real Estate) und Shawn Lese (CIO & Head of Funds Management, Americas) von Nuveen, welche Folgen die Zollpolitik von Donald Trump für die globalen Immobilienmärkte hat. Nuveen Real Estate zählt mit einem verwalteten Vermögen von 113 Mrd. Euro zu den größten Investmentmanagern weltweit.
Nach den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump im April gibt es Fragen, wie sich die Zölle auf die Wirtschaft und die beginnende Erholung des Immobilienmarktes auswirken werden…
Donald Hall: Die durch Zölle verursachte Unsicherheit könnte die Weltwirtschaft und den Immobilienmarkt durchaus belasten. Doch die Anlageklasse Immobilien startet aus unserer Sicht relativ stark in diese neue globalökonomische Phase. Die Gebäudewerte haben sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich angepasst. Dies trägt dazu bei, die Risiken der Immobilien-Anlageklasse künftig zu minimieren. Die Bautätigkeit ist überdies auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt, was ein gutes Zeichen für die Fundamentaldaten ist.
Shawn Lese: Sicher ist, Immobilien bieten weiterhin Erträge, Widerstandsfähigkeit und Diversifizierung. In einer Zeit der Unsicherheit sollten sich Anleger auf Immobiliensektoren mit robuster Nachfrage konzentrieren, die durch Megatrends und strukturelle Ungleichgewichte gestützt werden.
Louise Kavanagh: Immobilienrisiken lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Immobilienwerte, Angebot und Nachfrage. Die globale Finanzkrise von 2008 war ein perfekter Sturm für den Immobilienmarkt. Die Anlageklasse begann den Abschwung auf dem Höhepunkt ihrer Werte und Bautätigkeit, bevor die Nachfrage einbrach. Dies sieht 2025 anders aus. Das grösste Risiko liegt derzeit in der ungewissen Nachfrage. Dieses kann jedoch durch die Auswahl der richtigen Gebäude, Märkte und Immobilienarten etwas gemildert werden.
Könnten Sie seitens Nuveen diese Entwicklungen und Werte der vergangenen zwei bzw. drei Jahre mit konkreten Zahlen untermauern?
Hall: Nach den Zinserhöhungen 2022 fielen die globalen Immobilienwerte neun Quartale in Folge. Den Höchststand gab es im zweiten Quartal 2022, den Tiefpunkt im dritten Quartal 2024. Hier verzeichneten wir mit unserem Nuveen Research einen Wertrückgang von 16 Prozent. Weite Teile Westeuropas verzeichneten sogar noch stärkere Abschreibungen im Bereich von 21 bis 22 Prozent. Die «unlevered values» in den USA gingen um etwa 20 Prozent zurück.
Lese: In den vergangenen Quartalen scheinen sich die Werte stabilisiert zu haben. Weltweit kam es im vierten Quartal 2024 zum ersten Wertzuwachs seit zweieinhalb Jahren. Von den 21 Ländern im MSCI Global Quarterly Property Index verzeichneten mehr als die Hälfte, konkret: 12, moderate Wertzuwächse. 20, also nahezu alle, erzielten in diesem Quartal positive Gesamtrenditen. 17 von 21 Ländern erzielten für Anleger sogar positive Gesamtrenditen im Vergleich zum Vorjahr.
Kavanagh: Ein weltwirtschaftlicher Abschwung würde die beginnende Erholung des globalen Immobilienmarktes sicherlich gefährden. Die Anlageklasse hat sich jedoch bereits deutlich neu ausgerichtet und befindet sich in einer frühen Erholungsphase. Dies trägt zu einer allgemeinen Risikominimierung bei.
Hall: Zollbedingte höhere Baukosten könnten die Immobilienwerte langfristig stützen. Ertragsgenerierende Immobilien werden primär auf Basis diskontierter Cashflows bewertet, wobei die Erträge ein wesentlicher Werttreiber sind. Solide Fundamentaldaten haben Priorität. Es besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen den Vermögenswerten und den Kosten für die Realisierung von Neubauten. Somit könnte das Wertversprechen bestehender Gebäude mit der Zeit zunehmend attraktiver werden…
Genau, denn die Zeiten günstiger Baufinanzierungen sind ja erst einmal vorbei…
Hall: Ja, Immobilien wurden in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der höheren Zinsen deutlich neu bewertet. Investoren unterschätzen dabei, dass der Immobilienabschwung von 2023 bis 2024 durch erhöhte Auslieferungen von Projekten verschärft wurde. Diese wurden in den Jahren vor den Zinserhöhungen, also in Zeiten günstiger Baufinanzierungen, begonnen. Ein neues Angebot kann einen Markt vor Herausforderungen stellen, wenn die neue Nachfrage nicht ausgeglichen wird. Dies kann zu steigenden Leerständen und einem schwächeren Mietwachstum führen. Dies war in den vergangenen beiden Jahren der Fall.
Kavanagh: Europa und der asiatisch-pazifische Raum verzeichneten ein geringeres Überangebot als die USA. Dennoch ist der Rückgang im Baugewerbe überall willkommen. In den USA werden die Auslieferungen in den nächsten zwei Jahren im Mehrfamilienhaus- und Industriemarkt voraussichtlich die niedrigsten seit einem Jahrzehnt erreichen. Und im Büro- und Einzelhandelsmarkt die niedrigsten Fertigstellungen seit Beginn der Aufzeichnungen (der vergangenen Dekade 2017-2026). Dies ist ein gutes Zeichen für die Fundamentaldaten.
Lese: Ein Lichtblick der Zölle sind die gestiegenen Kosten für Baumaterialien. Dies wird von Immobilienentwicklern nicht begrüßt, aber für die Eigentümer bestehender Vermögenswerte bedeutet es, dass der Druck auf die Vermögenswerte aufgrund des neuen Angebots wahrscheinlich abnimmt, was eine längere Startbahn mit stabilen Vermietungen und steigenden Mieten ermöglicht.
Hall: Die Unsicherheit über die Tarife könnte CEOs und Verbraucher dazu zwingen, Entscheidungen zurückzuhalten, was Leasingentscheidungen und das Wirtschaftswachstum bremsen würde. Je länger die Unsicherheit anhält, desto wahrscheinlicher sind negative Folgen. Dieses Risiko ist nicht immobilienspezifisch, da alle Risikoanlagen von einem Abschwung betroffen sind.
Mit dem Blick auf den US-Immobilienmarkt: Wo sehen Sie hier Opportunitäten?
Lese: Medizinische Ambulanzgebäude in den USA sind aktuell gut positioniert. Die Leerstandsquote ist historisch niedrig, die Neubauten liegen nur bei 40 Prozent des Spitzenniveaus und die Nachfrage ist robust. Ambulante Besuche und Operationen haben in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich zugenommen, scheinbar ohne Zusammenhang mit wirtschaftlichen Abschwüngen. Während Covid-19 haben Patienten nicht dringende Eingriffe vorübergehend verschoben, aber selbst während der globalen Finanzkrise stieg die Nachfrage nach ambulanter Versorgung weiter an – zudem gestützt durch eine alternde Bevölkerung.
Und wie sieht das in anderen Märkten der Welt aus?
Kavanagh: Wir gehen davon aus, dass Seniorenwohnen in vielen globalen Märkten angesichts der alternden Bevölkerung und des niedrigen Betreuungsschlüssels stabil bleiben wird. Japan steht an der Spitze dieses Megatrends. Dort übernimmt die öffentliche Krankenversicherung 90 Prozent der Mietkosten, was den Sektor besonders widerstandsfähig macht. Wir bleiben zudem optimistisch für speziell gebaute Studentenwohnheime in Märkten mit niedrigen Versorgungsquoten, insbesondere in Europa und Australien, aber auch in ausgewählten US-Märkten. Die Zahl der Studienanfänger korreliert typischerweise negativ mit dem Wirtschaftswachstum. Studierende streben eher eine höhere Ausbildung an, wenn sie ihre Berufsaussichten gefährdet sehen.
Und wie sehen Sie die Wohnimmobilienmärkte allgemein?
Hall: Wir bei Nuveen bleiben auch hinsichtlich der Chancen im Wohnimmobiliensektor im Allgemeinen optimistisch. Insbesondere im Bereich bezahlbarer und mittelständischer Wohnungen. Klar ist: Ein struktureller Wohnungsmangel führt zu einer soliden Nachfrage, selbst in einem Umfeld mit geringem Wachstum und hoher Inflation. Auch die Leerstandsquoten in Industrieimmobilien sind übrigens in vielen Märkten weltweit niedrig. Dies gilt insbesondere bei kleineren Objekten in Ballungszentren. Die Verlagerung von Lieferketten und die Rückverlagerung von Unternehmen könnten hier erhebliche neue Chancen eröffnen.
Wie schaut das Momentum bei den Retail-Immobilien aus?
Lese: Der lokale und kommunale Einzelhandel verfügt heute über sehr solide Fundamentaldaten, wobei das Angebot in den vergangenen zehn Jahren nur geringfügig gewachsen ist. Insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel dürfte in einem Abschwung widerstandsfähig sein; Verbraucher könnten weniger außer Haus essen oder auf günstigere Produkte umsteigen. Doch die Nachfrage nach Lebensmitteln ist salopp gesprochen: relativ unelastisch. Generell gilt: Der Einzelhandel mit Bedarfsgütern im Umfeld hält sich tendenziell gut.
Mister Hall, ein Fazit aus Sicht des Researchers. Auf was müssen wir uns einstellen?
Hall: In unsicheren Märkten bleiben Immobilienkredite aufgrund stabiler Cashflows attraktiv. Und dies insbesondere im Vergleich zu robusten Anlageformen. Erhöhte Leitzinsen, höhere Spreads als im historischen Durchschnitt und neu berechnete Kapitalwerte. Sie bieten zusammen eine attraktive risikoadjustierte Rendite in allen Regionen. Da wegen der höheren Finanzierungsbedingungen nur sehr wenige Neubauten entstehen, ist eine hohe Nachfrage auch nicht nötig, um Fundamentaldaten zu unterstützen. Die Mieternachfrage muss also im Wesentlichen nur stabil bleiben, damit die Belegungszahlen ordentlich und gesund bleiben. Unser Fazit bei Nuveen: Konzentration auf Immobilientypen und Märkte mit stabilen Nachfragetreibern. Dies kann Investoren den Ausschlag zu ihren Gunsten geben.
Vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch!
(oben im Bild von links nach rechts: Donald Hall (Global Head of Research), Louise Kavanagh (CIO & Head of Asia Pacific Real Estate) und Shawn Lese (CIO & Head of Funds Management, Americas) von Nuveen)