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«Tohuwabohu¹…»

DOMBLICK - Kolumne Digitales Bauen - Prof Dr Adrian Wildenauer - BFH Berner Fachhochschule - Kolumne 8 - VÖD 15082025

Willkommen in der kleinen, imaginären Planungs- und Baufirma von Beate Bütikofer und Hermann Hugentobler, irgendwo in der Schweiz. Ausgezeichnet aufgezeichnet von Adrian Wildenauer, Professor für Digitales Bauen an der BFH Berner Fachhochschule. Heute Folge 8 der Gast-Kolumne zum Thema Digitales Bauen.

Beate bezeichnet sich selbst als «digital open native» und das ist sie mit unbändiger Leidenschaft. Immer die neuesten Gadgets dabei und flexibel im Arbeiten. Hermann bezeichnet sich selbst als «digital naiv» und hält nur bedingt etwas von neuen Technologien. Für ihn zählen sein, in farbigen Ordnern sorgfältig dokumentiertes Fachwissen sowie sein grosses und regelmässig gepflegtes Netzwerk. In den nächsten Kolumnen begleiten wir die beiden ein bisschen. Sie werden auf Herausforderungen treffen, die der Autor aus eigener Erfahrung kennt. Ähnlichkeiten mit dem realen Leben sind durchaus beabsichtigt – sind wir ehrlich, jede:r von uns kennt zwei solche Kollegen.

«duranand» ohne klares System

Tag 5 nach der Videoveröffentlichung: Das Büro gleicht einem Schlachtfeld. Es war Phasenabschluss und Hermann wollte sich nur gschwind mal schnell die letzten Unterlagen ansehen, ob alles so realisiert wurde wie geplant. Auf Hermanns Schreibtisch türmen sich Pläne, die eher an Archäologie erinnern als an aktuelle Projekte. Aktenordner stapeln sich in seinem kleinen Archiv nebendran, auf Metern quer durch den ganzen Raum, nicht mehr wirklich in der vorgesehenen Ordnung, sondern irgendwie «duranand» ohne klares System.

In der Ecke surrt ein alter Nadeldrucker, der seit 2007 «vorübergehend» repariert werden sollte. Gott sei Dank wurde vor drei Jahren der Blaupausenkopierer nach einem Kurzschluss mit leichter Brandfolge von Beate kurzerhand entsorgt. Gott sei Dank waren es damals nur die fünften Kopien des dritten Durchschlags der Planunterlagen des Vorhabens «Schattige Pinie», eines Alterswohnsitz, die in Flammen aufgingen. Beate steht mitten im Raum, das Smartphone in der einen, einen USB-Stick in der anderen Hand.

Digitales Bauen – Neumodische Datenwolke

«Hermann, wir müssen reden. Dringend.» – «Wenn’s um deine neumodische Datenwolke geht, vergiss es. Ich trau doch nicht einer Wolke von irgendwelchen ausländischen Softwarefirmen, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann, wenn die mal den Saft abdrehen, dann ist alles weg! Nur, was ich schwarz auf weiss habe, kann ich getrost nach Hause tragen, das wusste schon der olle Goethe!», brummelt er, ohne aufzusehen.

«Es geht um unsere Daten. Jeder speichert irgendwo, keiner weiss, wo das aktuelle File liegt und ob es überhaupt das aktuellste ist und wer der letzte Bearbeiter war. Wir haben Versionen auf Server A, B, auf Bennos Baustellen-Laptop, bei Köbi auf seiner externen Festplatte und Erna hat sogar eine Kopie auf ihrem uralten CD-ROM Brenner gebrannt, keine Ahnung, wo sie das Teil gefunden hat, wahrscheinlich auf dem Estrich von ihrem Grosi!»

«Sicher ist sicher», ruft Erna vom Empfang. „Ich hab auch noch eine blaue und eine schwarze Diskette!» „Und eine Papierkopie im Aktenschrank», wirft Carlo vom Controlling ein, „allerdings ohne Datum, damit’ s keiner falsch liest. Aber man weiss ja nie, ob man es nicht nochmal brauchen kann.»

«Ergebnis: fünf Zahlen, keine stimmte.»

Benno stürmt rein: «Wir haben ein Problem. Der Elektroplan ist… ja, wie soll ich das beschreiben… irgendwie verschwunden. Also nicht weg, sondern… wir wissen nicht, welche Version die richtige ist. Die Jungs haben schon die dritte Montage angefangen.» – Beate stöhnt. «Erinnert sich noch jemand an das Heizungsprojekt letztes Jahr? Fünf Dateiversionen mit unterschiedlichen Rohrführungen und Durchmessern. Am Ende Decke auf, drei Wochen Zeitverlust.»

«Oder die Kalkulation in Bäretswil», wirft Köbi ein. «Ich gab es ausgedruckt an Benno, der faxte es an Hermann, der fotografierte es mit seinem Telefon und schickte es per WhatsApp zurück. Qualität wie ein Familienfoto ohne wichtige Details. Ergebnis: fünf Zahlen, keine stimmte.» – «Das ist genau der Grund, warum wir ein CDE brauchen – eine gemeinsame Datenumgebung. Eine Plattform, wo jeder die aktuelle Version findet. Schluss mit ‚Projekt_final_final_NEU_endgültig_v3‘.»

Die Latte schlürfende Zita…

Hermann will schon abwinken, als Beate nachsetzt: «Weisst du, wer schon längst mit CDE arbeitet? Zita. Und rate mal, wie viele Planungsfehler sie seitdem hatte.» – «Null?», fragt Benno. – «Nicht ganz, aber deutlich weniger! Und rate mal, wie viele Aufträge sie allein diesen Monat an Land gezogen hat.» – «Zu viele», murmelt Hermann.

In seinem Kopf formt sich das Bild der letzten Wochen: verlorene Pläne, doppelte Arbeit, verärgerte Kunden, einfach Chaos. Dann noch dazu die Bilder von Zita im Berner Bautageblatt, die gerade im Interview Latte Macchiato schlürft, während ihre Projekte reibungsloser durchlaufen und sie nun das grosse Datenzentrum in Wankdorf Südwest baut.

«Also gut», sagt er schliesslich, «wir probieren das. Aber wenn diese Wolke wegfliegt oder Sperenzchen macht, Beate, dann rücken wir beide zusammen.» «Deal. Ab jetzt: Wer nicht im CDE speichert, bringt den Z’nüni, am besten Käsekuchen.» Benno grinst. «Ich back schon mal vor, sicher ist sicher.»

Das Aus des geliebten Ordner-Universums…

Während das Team halb freuend auf die sichere Käsekuchenversorgung die nächsten Wochen, halb seufzend auseinandergeht, bleibt Hermann noch einen Moment stehen. Er sieht zu seinem Aktenschrank, in dem jahrzehntelang jede Schraube dokumentiert ist und weiss genau, dass sich etwas Grundlegendes verändert. Er spürt ein leichtes Ziehen im Magen: der Anfang vom Ende seines geliebten Ordner-Universums.

Ja klar, denkt er sich, als ich alleine das gemanagt habe, hatten wir keine Probleme, damals gab es nicht so viele Spezialisten und Personen, die involviert waren. Ich wurde gefragt und habe geliefert, das geht heute nicht mehr. Er wurde nachdenklich und stopfte sich erstmal eine Pfeife.

Beate dagegen tippt schon die Einladungen zum ersten CDE-Workshop ins Notebook. In ihrem Kopf läuft der Film bereits ab: farbige Statusanzeigen, automatische Versionskontrolle, Benno, der stolz am Bildschirm zeigt, wie einfach alles zu finden ist. «Oder», denkt sie, «es endet in einer Katastrophe…»

  • ¹: «Tohuwabohu» ist nicht Berndeutsch, sondern hebräisch und bedeutet etwas Chaos, ungeordnet sein, das Chaos vor der Schöpfung und hat eigentlich nur bedingt etwas mit Technologie zu tun.

In den nächsten Kolumnen werden die beiden generationenübergreifend grundlegende Themen des Bereichs Digitales Bauen eruieren – und diesmal vielleicht sogar mit einer klaren Datenstruktur. (Die vorangegangene Kolumne, Folge 7, finden Sie hier.)

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